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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Fahrdienstleiter, »das Haupttreffen hat gestern begonnen, da müssen also gestern eine Menge Leute hier durchgekommen sein, die dahin wollten. Ich beschreibe sie Ihnen: Das sind so Leute, die irgendwie in den Wolken hängen, und sie reden miteinander und achten gar nicht darauf, wo sie hingehen, und was sie sagen, hört sich an wie >G- my-ny. G-my-ny<.«
    Da strahlte er. »Ah ja«, sagte er. »Sie meinen Chapel Hill!« Er rief das nächste Taxi in der Reihe. »Bringen Sie diesen Herrn zur Universität in Chapel Hill.«
    »Vielen Dank«, sagte ich und fuhr zu der Konferenz.
Ist denn das Kunst?
    Einmal spielte ich auf einer Party Bongos und kam dabei ziemlich in Fahrt. Einer der Gäste war ganz besonders begeistert von der Trommelei. Er ging ins Badezimmer, zog sein Hemd aus, malte sich mit Rasiercreme komische Zeichen auf die Brust und kam wild tanzend heraus, die Ohren mit Kirschen behängt. Natürlich wurden diese verrückte Nudel und ich auf der Stelle gute Freunde. Er heißt Jirayr Zorthian und ist Künstler.
    Wir hatten öfters lange Diskussionen über Kunst und Wissenschaft. Dabei vertrat ich ungefähr folgenden Standpunkt: »Die Künstler sind am Ende: sie haben überhaupt kein Thema! Früher hatten sie religiöse Themen, aber sie haben ihren religiösen Glauben verloren, und jetzt haben sie nichts mehr. Die technische Welt, in der sie leben, verstehen sie nicht; sie haben keine Ahnung von der Schönheit der wirklichen - der wissenschaftlichen - Welt, und deshalb tragen sie nichts in sich, was sie malen könnten.«
    Jerry gab gewöhnlich zur Antwort, Künstler brauchten nichts Greifbares; es gebe viele Emotionen, die man durch Kunst zum Ausdruck bringen könne. Außerdem könne Kunst auch abstrakt sein. Im übrigen würden die Wissenschaftler die Schönheit der Natur zerstören, wenn sie sie auseinandernähmen und in mathematische Gleichungen verwandelten.
    Einmal war ich bei Jerry, um seinen Geburtstag zu feiern, und wir hatten wieder so einen dämlichen Streit, der bis 3 Uhr nachts ging. Am nächsten Morgen rief ich ihn an: »Hör mal, Jerry«, sagte ich, »diese Streitereien, die uns nichts bringen, kommen bloß daher, daß du nichts von Wissenschaft verstehst und ich keine Ahnung von Kunst habe. Ich schlage vor, daß wir uns abwechselnd ein biß - chen Unterricht geben; den einen Sonntag gebe ich dir eine Lektion in Wissenschaft, und den Sonntag drauf gibst du mir eine über Kunst.«
    »O. k.«, sagte er. »Ich bringe dir das Zeichnen bei.«
    »Unmöglich!« sagte ich. Denn das einzige, was ich zeichnen konnte, als ich auf der High School war, waren Pyramiden in der Wüste - die hauptsächlich aus geraden Linien bestanden -, und von Zeit zu Zeit versuchte ich mich an einer Palme und malte auch die Sonne hin. Ich hatte überhaupt kein Talent. Mein Nebenmann war ebenso geschickt. Wenn er irgend etwas Beliebiges zeichnen durfte, bestand das aus zwei flachen, elliptischen Dingern, die wie aufeinandergestapelte Reifen aussahen und aus denen ein Stiel herauskam, der oben in einem grünen Dreieck endete. Das sollte ein Baum sein. Ich wettete also mit Jerry, daß er mir das Zeichnen nicht beibringen könne.
    »Natürlich mußt du etwas dafür tun«, sagte er.
    Ich versprach, mir Mühe zu geben, blieb aber bei meiner Wette, daß er mir das Zeichnen nicht beibringen könne. Dabei wollte ich unbedingt zeichnen lernen. Den Grund behielt ich für mich: Ich wollte mitteilen, was ich an der Welt schön finde. Es ist schwierig zu beschreiben, denn es ist eine Empfindung. Es ist so etwas Ähnliches wie ein religiöses Gefühl, das mit einer Gottheit zu tun hat, die im gesamten Universum alles beherrscht: Man spürt etwas Allgemeines, wenn man darüber nachdenkt, wie all die Dinge, die so verschieden zu sein scheinen und sich so unterschiedlich verhalten, »hinter der Bühne« durch die gleiche Ordnung, die gleichen physikalischen Gesetze in Gang gehalten werden. Es ist ein Verständnis für die mathematische Schönheit der Natur, dafür, wie sie im Inneren funktioniert; ein Bewußtsein davon, daß die Erscheinungen, die wir sehen, sich aus der Komplexität der inneren Wechselwirkungen zwischen den Atomen ergeben; ein Gefühl dafür, wie dramatisch und wunderbar das ist. Es ist ein Gefühl der Ehrfurcht - der wissenschaftlichen Ehrfurcht -, das, wie ich fand, jemandem, der diese Empfindung kennt, durch eine Zeichnung mitgeteilt werden könnte. Sie würde ihn vielleicht einen Moment lang an dieses Gefühl angesichts der

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