Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Kaffee oder Tee, Mr. Feynman?«
»Mrs. Soundso sagt, Sie möchten mich sprechen.«
»Hi-hi-hi-hi-hi. Möchten Sie Kaffee oder lieber Tee , Mr. Feynman?«
»Tee«, sage ich, »danke sehr«.
Einige Augenblicke später kamen Mrs. Eisenharts Tochter und eine Schulfreundin herüber, und wir wurden einander vorgestellt. Alles, was hinter diesem »Hi-hi-hi« steckte, war: Mrs. Eisenhart wollte gar nicht mit mir sprechen, ich sollte da sein und Tee trinken, wenn ihre Tochter und deren Freundin herüberkamen, so daß sie sich mit jemandem unterhalten konnten. So lief das. Inzwischen wußte ich, was ich zu tun hatte, wenn ich das »Hi-hi-hi-hi-hi« hörte. Ich sagte nicht: »Was meinen Sie mit >Hi-hi-hi-hi-hi«; ich wußte, das »Hi- hi-hi« bedeutete »Fehler« und daß ich das besser ausbügelte. Jeden Abend trugen wir beim Essen Talare. Beim ersten Mal jagte mir das eine Heidenangst ein, denn ich konnte Förmlichkeiten nicht ausstehen. Aber mir wurde schnell klar, daß die Talare einen großen Vorteil hatten. Diejenigen, die draußen Tennis gespielt hatten, konnten auf ihr Zimmer eilen, sich den Talar schnappen und überziehen. Sie brauchten keine Zeit damit zu verlieren, ihre Kleider zu wechseln oder sich zu duschen. Unter den Talaren steckten also nackte Arme, T- Shirts, alles mögliche. Im übrigen gab es eine Regel, daß man den Talar nie reinigte; auf diese Weise konnte man einen Studenten aus dem ersten Jahr von einem Studenten aus dem zweiten Jahr, aus dem dritten Jahr und von einem Ferkel unterscheiden! Man machte den Talar nie sauber, und man flickte ihn auch nicht, deshalb hatten die Studenten aus dem ersten Jahr sehr schöne, relativ saubere Talare, aber wenn man dann ins dritte Jahr oder so kam, hatte man bloß noch eine Art Pappding um die Schultern, von dem die Fetzen herunterhingen.
So ging ich also, als ich nach Princeton kam, am Sonntagnachmittag zu jenem Tee, und zu Abend aß ich in einem Talar im »College«. Aber am Montag wollte ich als erstes das Zyklotron sehen.
Am MIT war ein neues Zyklotron gebaut worden, als ich dort Student war, und es war einfach herrlich! Das Zyklotron selbst war in einem Raum und das Kontrollpult in einem anderen. Es war hervorragend konstruiert. Die Kabel führten vom Kontrollraum durch unterirdische Leitungsrohre zum Zyklotron, und da war eine große Schalttafel mit Knöpfen und Meßinstrumenten. Es war das, was ich ein vergoldetes Zyklotron nennen würde.
Ich hatte eine Menge Arbeiten über Zyklotron-Experimente gelesen, aber vom MIT gab es nicht viele. Vielleicht fingen sie gerade erst damit an. Aber von Forschungsstätten wie Cornell und Berkeley und vor allem aus Princeton lagen massenhaft Resultate vor. Was ich deshalb unbedingt sehen wollte, worauf ich mich freute, war das ZYKLOTRON von PRINCETON. Das mußte was Besonderes sein!
Am Montag gehe ich also als erstes in den Physik-Bau und frage: »Wo ist das Zyklotron - in welchem Gebäude?«
»Unten im Keller - am Ende des Ganges.«
Im Keller? Es war ein altes Gebäude. Im Keller war kein Platz für ein Zyklotron. Ich ging den Gang entlang bis zum Ende, trat durch die Tür, und innerhalb von zehn Sekunden erkannte ich, warum Princeton richtig für mich war - der beste Ort, an dem ich weiterstudieren konnte. In dem Raum waren an allen Ecken und Enden Kabel gezogen! An den Kabeln hingen Schalter, Kühlwasser tropfte aus den Ventilen, der Raum war voller Krempel, und alles völlig offen. Überall standen Tische herum, auf denen sich Werkzeuge stapelten; es war ein einziges heilloses Durcheinander. Das ganze Zyklotron war in einem Raum, und es war ein totales, absolutes Chaos!
Es erinnerte mich an mein Labor zu Hause. Am MIT hatte mich nie etwas an mein Labor zu Hause erinnert. Plötzlich wurde mir klar, warum Princeton Resultate erzielte. Sie arbeiteten mit dem Instrument. Sie hatten das Instrument gebaut; sie wußten, wo was war, sie wußten, wie alles funktionierte, da war kein Techniker beteiligt, es sei denn, er arbeitete auch da. Es war viel kleiner als das Zyklotron am MIT, und »vergoldet«? - es war das genaue Gegenteil. Wenn sie ein Leck in der Vakuumkammer flicken wollten, klebten sie es mit Glyptal zu, deshalb die Glyptaltropfen auf dem Boden. Es war wunderbar! Denn sie arbeiteten damit. Sie brauchten nicht in einem anderen Raum zu sitzen und Knöpfe zu drücken! (Nebenbei bemerkt, wegen des ganzen chaotischen Durcheinanders - zu viele Kabel - brach in dem Raum ein Feuer aus, und das Zyklotron wurde
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