Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Anzahl verhält sich proportional zum Quadrat der Entfernung. Vielleicht können wir das also alles ausgleichen.«
Wir fanden heraus, daß wir das tun konnten. Es ging alles sehr schön auf und paßte sehr gut. Es war eine klassische Theorie, die richtig sein konnte, auch wenn sie sich von Maxwells oder Lorentz' Standardtheorien unterschied. Es gab keinen Ärger mit der Unendlichkeit der Selbsteinwirkung. Alles war klug angelegt. Die Theorie arbeitete mit Wirkungen vorwärts und rückwärts in der Zeit - wir nannten das »halb-avancierte und halb-retardierte Potentiale.«
Wheeler und ich dachten, das nächste Problem wäre, sich der Quantenelektrodynamik zuzuwenden, die (wie ich meinte) Schwierigkeiten mit der Selbstwechselwirkung des Elektrons hatte. Wir stellten uns vor, wenn es uns gelingen sollte, die Schwierigkeit zuerst in der klassischen Physik zu beseitigen und dann daraus eine Quantentheorie zu machen, könnten wir auch die Quantentheorie geradebiegen.
Nachdem wir jetzt die klassische Theorie hingekriegt hatten, meinte Wheeler: »Feynman, Sie sind ein junger Kerl - Sie sollten ein Seminar darüber halten. Sie müssen Erfahrungen sammeln, wie man Vorträge hält. In der Zwischenzeit werde ich den quantentheoretischen Teil ausarbeiten und später darüber ein Seminar halten.«
Es sollte also mein erster fachlicher Vortrag werden, und Wheeler vereinbarte mit Eugene Wigner, ihn auf den regulären Veranstaltungsplan zu setzen.
Ein oder zwei Tage vor dem Vortrag traf ich Wigner auf dem Flur. »Feynman«, sagte er, »ich finde die Arbeit, die Sie mit Wheeler machen, sehr interessant, deshalb habe ich Russell zu dem Seminar eingeladen.« Henry Norris Russell, der berühmte, bedeutende Astronom der damaligen Zeit, kam zu dem Vortrag!
Wigner fuhr fort: »Ich denke, Professor von Neumann dürfte es auch interessieren.« John von Neumann war der bedeutendste Mathematiker am Ort. »Und zufällig haben wir gerade Professor Pauli aus der Schweiz bei uns zu Gast, ich habe ihn also eingeladen« - Pauli war ein sehr berühmter Physiker - und ich werde jetzt bleich. Schließlich sagte Wigner: »Professor Einstein kommt nur selten zu unseren wöchentlichen Seminaren, aber Ihre Arbeit ist so interessant, daß ich ihn extra eingeladen habe, er kommt also auch.«
Da muß ich schon ganz grün ausgesehen haben, denn Wigner sagte: »Nein, nein! Machen Sie sich keine Sorgen! Sie sollten nur folgendes wissen: Wenn Professor Russell einschläft - und er wird ohne Zweifel einschlafen -, so heißt das nicht, daß das Seminar schlecht ist; er schläft nämlich in allen Seminaren ein. Andererseits, wenn Professor Pauli die ganze Zeit nickt und während der Veranstaltung zuzustimmen scheint, dann achten Sie nicht darauf. Professor Pauli hat einen Schlaganfall gehabt.«
Ich ging zu Wheeler und erzählte ihm, was für große, berühmte Leute zu dem Vortrag, den er mich halten ließ, kommen würden, und sagte ihm, daß mich das nervös mache.
»Ist in Ordnung«, meinte er. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde alle Fragen beantworten.«
Ich bereitete also den Vortrag vor, und als es soweit war, ging ich hinein und tat etwas, das junge Männer, die noch keine Erfahrung mit Vorträgen gesammelt haben, oft tun - ich schrieb zu viele Gleichungen an die Tafel. Ein junger Kerl kann nicht sagen: »Natürlich, das variiert umgekehrt und dies läuft so und so«, weil nämlich jeder, der zuhört, es bereits weiß; sie können es sehen. Aber er weiß es nicht. Er kann es nur herausfinden, indem er die Algebra durchrechnet - und deshalb diese vielen Gleichungen.
Als ich dabei war, vor Beginn der Veranstaltung die ganze Tafel mit diesen Gleichungen vollzuschreiben, kam Einstein herein und sagte freundlich: »Hallo, ich komme zu Ihrem Seminar. Aber zunächst mal, wo ist denn der Tee?«
Ich sagte es ihm und fuhr fort, die Gleichungen anzuschreiben.
Dann war es soweit, daß ich den Vortrag zu halten hatte, und vor mir sitzen alle diese Geistesriesen und warten! Mein erster Fachvortrag, und das vor diesem Publikum! Ich dachte, sie würden mich durch die Mangel drehen! Ich erinnere mich sehr genau daran, daß ich sah, wie meine Hände zitterten, als sie meine Notizen aus einem braunen Umschlag zogen.
Aber dann geschah ein Wunder, und es ist immer wieder in meinem Leben geschehen, und das ist ein großes Glück für mich: In dem Augenblick, in dem ich anfange, über die Physik nachzudenken, und mich auf das konzentrieren muß, was ich erkläre,
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