Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Mitten in der Arbeit mußte ich eine Akte einsehen, die ich früher angelegt hatte, an die ich mich jedoch nicht mehr erinnern konnte, und diese Akte war in der Bibliothek.
Ich ging hin, um sie zu holen, und vor dem Raum ging ein Soldat mit Gewehr auf und ab. Es war Samstag, und nach dem Krieg war die Bibliothek samstags geschlossen.
Da fiel mir ein, was mein guter Freund Frederic de Hoffman gemacht hatte. Er war in der Abteilung zur Freigabe von Dokumenten. Nach dem Krieg hatte die Armee vor, bestimmte Dokumente freizugeben, und er mußte soviel zwischen seinem Büro und der Bibliothek hin und her rennen - dies Dokument angucken, das Dokument angucken, dies überprüfen, das überprüfen -, daß er allmählich durchdrehte! Deshalb hatte er Kopien von jedem Dokument - von allen Geheimunterlagen über die Atombombe - in neun Aktenschränken in seinem Büro.
Ich ging zu seinem Büro, und dort brannte Licht. Es sah so aus, als arbeite dort jemand - vielleicht seine Sekretärin
und sei nur für ein paar Minuten hinausgegangen, also wartete ich. Während ich wartete, fing ich an, an dem Einstellrad von einem der Aktenschränke herumzufummeln. (Übrigens, die letzten beiden Zahlen von de Hoffmans Safes hatte ich nicht; sie wurden erst nach dem Krieg aufgestellt, nachdem ich weggegangen war.)
Ich fing also an, an einem der Einstellräder herumzuspielen, und dachte an die Safeknacker-Bücher. Ich überlegte: »Die Tricks, die in diesen Büchern beschrieben werden, haben mich nie besonders beeindruckt, deshalb habe ich sie nie ausprobiert, aber wir wollen doch mal sehen, ob wir de Hoffmans Safe öffnen können, wenn wir den Büchern folgen.«
Erster Trick, die Sekretärin: sie fürchtet, daß sie die Kombination vergißt, deshalb schreibt sie sie irgendwo auf. Ich schaute an den Plätzen nach, die in den Büchern erwähnt wurden. Die Schreibtischschublade war verschlossen, aber es war eines von den gewöhnlichen Schlössern, die zu öffnen Leo Lavatelli mir beigebracht hatte - ping! Ich schaute am Rand nach: nichts.
Dann sah ich die Papiere der Sekretärin durch. Ich fand ein Blatt Papier, wie es alle Sekretärinnen hatten, mit sorgfältig geschriebenen griechischen Buchstaben - so daß sie sie in mathematischen Formeln wiedererkennen konnten - und ihren Namen. Und oben drüber stand unvorsichtigerweise: pi = 3,14159. Nun, das sind sechs Ziffern, und wieso muß eine Sekretärin den Zahlenwert von pi kennen? Es war offensichtlich; einen anderen Grund gab es nicht!
Ich ging hinüber zu den Aktenschränken und versuchte es an dem ersten: 31-41-59. Er öffnete sich nicht. Dann probierte ich 59-41-31. Das funktionierte auch nicht. Dann 95-14-13. Rückwärts, vorwärts, verkehrt herum, so herum oder so herum - es tat sich nichts!
Ich schloß die Schreibtischschublade und wollte schon hinausgehen, als mir wieder die Safeknacker-Bücher einfielen: Probieren Sie als nächstes die psychologische Methode. Ich sagte mir: »Freddy de Hoffman ist genau der Typ, der eine mathematische Konstante als Safekombination verwendet.«
Ich ging zu dem ersten Aktenschrank zurück und probierte 27-18-28 - KLICK! Er ging auf! (Die nach pi zweitwichtigste mathematische Konstante ist die Basis natürlicher Logarithmen, e = 2,71828...) Es gab neun Aktenschränke, und ich hatte den ersten geöffnet, aber das Dokument, das ich brauchte, war in einem anderen - sie waren nach Autorennamen alphabetisch geordnet. Ich versuchte es an dem zweiten Aktenschrank: 27-18-28 - KLICK! Er öffnete sich mit derselben Kombination. »Das ist ja herrlich! Ich bin an die Geheimnisse der Atombombe herangekommen, aber wenn ich diese Geschichte je erzählen will, muß ich sicher sein, daß die Kombinationen wirklich alle gleich sind!« Einige von den Aktenschränken waren im Nebenzimmer, deshalb probierte ich 27-18-28 an einem aus, und er ging auf. Jetzt hatte ich drei Safes geöffnet - überall dasselbe.
Ich dachte bei mir: »Jetzt könnte ich ein Safeknacker-Buch schreiben, das alle anderen übertreffen würde, denn am Anfang würde ich erzählen, wie ich Safes mit wichtigeren und wertvolleren Dingen geöffnet habe, als es je irgendeinem Safeknacker irgendwo gelungen ist - abgesehen von einem Safe mit einem lebendigen Menschen drin natürlich; aber verglichen mit Pelzen und Goldbarren, habe ich sie alle in die Tasche gesteckt: Ich habe die Safes geöffnet, in denen alle Geheimunterlagen über die Atombombe lagen - die Pläne für die Plutoniumherstellung, die
Weitere Kostenlose Bücher