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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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sagte ich: »Wenn man so sieht, wie Sie den Safe zumachen, könnte man fast annehmen, Sie glauben, daß die Sachen da drin sicher sind.«
    »Ja natürlich.«
    »Der einzige Grund, weshalb Sie glauben, daß sie darin sicher sind, ist, daß die Zivilisten es behaupten.« (Das Wort »Zivilisten« benutzte ich, damit es so klang, als sei er von ihnen übers Ohr gehauen worden.)
    Er wurde sehr ungehalten. »Was wollen Sie damit sagen - ist das nicht sicher?«
    »Ein guter Safeknacker könnte ihn in einer halben Stunde öffnen.«
    »Können Sie ihn in einer halben Stunde öffnen?«
    »Ich sagte >ein guter Safeknacken<. Ich würde ungefähr eine Dreiviertelstunde brauchen.«
    »Also!« sagte er. »Meine Frau wartet zu Hause mit dem Essen auf mich, aber ich werde hierbleiben und Ihnen zusehen, und Sie werden sich da hinsetzen und eine Dreiviertelstunde an diesem verflixten Ding arbeiten und es nicht öffnen!« Er setzte sich in seinen großen Ledersessel, legte die Füße auf den Schreibtisch und las.
    Voller Zuversicht nahm ich mir einen Sessel, trug ihn hinüber zu dem Safe und setzte mich davor hin. Ich fing an, aufs Geratewohl an dem Rad zu drehen, damit sich irgend etwas tat.
    Nach ungefähr fünf Minuten, was ziemlich lange ist, wenn man bloß dasitzt und wartet, verlor er ein wenig die Geduld: »Na, kommen Sie weiter?«
    »Dinger wie das hier kriegt man entweder auf, oder man kriegt sie nicht auf.«
    Ich schätzte, in ein oder zwei Minuten sollte es soweit sein, also fing ich an, ernsthaft zu arbeiten, und zwei Minuten später, KLICK - ging der Safe auf.
    Dem Oberst fiel die Kinnlade runter, und er bekam Stielaugen.
    »Herr Oberst«, sagte ich in ernstem Ton, »lassen Sie mich Ihnen etwas über diese Schlösser sagen: Wenn die Tür zum Safe oder die oberste Schublade des Aktenschranks offengelassen wird, ist es sehr einfach, die Kombination herauszubekommen. Nur um auf die Gefahr aufmerksam zu machen, habe ich genau das getan, während Sie meinen Berieht gelesen haben. Sie sollten darauf bestehen, daß jedermann während der Arbeit die Schubladen der Aktenschränke verschlossen hält, denn wenn sie offen sind, sind sie sehr, sehr ungeschützt.«
    »Yeah! Ich verstehe, was Sie meinen! Das ist ja äußerst interessant!« Danach befanden wir uns beide auf der gleichen Seite.
    Als ich das nächste Mal nach Oak Ridge kam, sagten alle Sekretärinnen und die Leute, die wußten, wer ich war, zu mir: »Nicht hier durch! Nicht hier durch!«
    Der Oberst hatte jedem in der Fabrik einen Vermerk zukommen lassen, der lautete: »Ist Mr. Feynman während seines letzten Besuches zu irgendeinem Zeitpunkt in Ihrem Büro oder in seiner Nähe gewesen oder durch Ihr Büro gegangen?« Einige Leute bejahten das; andere verneinten es. Die, die es bejahten, bekamen einen weiteren Vermerk: »Bitte ändern Sie die Kombination an Ihrem Safe.«
    Das war seine Lösung: Ich war die Gefahr. So mußten sie alle meinetwegen ihre Kombination ändern. Es stinkt einem, wenn man die Kombination ändern und sich die neue merken muß, deshalb waren sie alle sauer auf mich und wollten nicht, daß ich in ihre Nähe kam: sonst hätten sie vielleicht ihre Kombination noch einmal ändern müssen. Ihre Aktenschränke standen natürlich auch weiterhin offen, während sie arbeiteten!
    Sämtliche Unterlagen, an denen wir je gearbeitet hatten, befanden sich in einer Bibliothek in Los Alamos: Es war ein solider Raum aus Beton mit einer großen, schönen Tür, an der ein Metallrad war, das man drehen mußte - wie bei einem Tresorraum. Während des Krieges hatte ich versucht, mir die Tür näher anzusehen. Ich kannte das Mädchen, das als Bibliothekarin dort arbeitete, und ich bat sie, mich ein bißchen damit spielen zu lassen. Ich war fasziniert: es war das größte Schloß, das ich je gesehen habe!
    Ich stellte fest, daß ich meine Methode, die letzten beiden Zahlen aufzunehmen, um hineinzukommen, nicht anwenden konnte. Denn dadurch, daß ich den Griff drehte, während die Tür offen war, rastete das Schloß ein, so daß der Riegel hervorstand und man die Tür nicht schließen konnte, bis das Mädchen kam und das Schloß entriegelte. Da war es mit meinem Herumfummeln an dem Schloß vorbei. Ich hatte keine Zeit herauszufinden, wie es funktionierte; das ging weit über meine Fähigkeiten hinaus.
    In dem Sommer nach dem Krieg mußte ich Akten anlegen und Arbeiten zu Ende führen, deshalb ging ich von Cornell, wo ich in dem Jahr gelehrt hatte, nach Los Alamos zurück.

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