Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Safe öffnen konnte. Nachdem ich gelesen hatte, was für groteske Dinge die Safeknacker behaupteten, hielt ich das für eine recht respektable Leistung.
Wir hatten da in Los Alamos keine Unterhaltung, und wir mußten uns selbst irgendwie amüsieren, deshalb gehörte das Herumfummeln mit dem Mosler-Schloß zu meiner Unterhaltung. Eines Tages machte ich eine interessante Beobachtung: Wenn das Schloß geöffnet ist und man die Schublade herausgezogen und das Einstellrad auf Zehn stehenlassen hat (was die Leute tun, wenn sie ihren Aktenschrank geöffnet haben und Papiere herausnehmen), ist der Bolzen immer noch unten. Nun, was bedeutet das, daß der Bolzen immer noch unten ist? Es bedeutet, daß der Bolzen in dem Schlitz ist, der durch die drei Scheiben entsteht, die also immer noch richtig eingestellt sind. Ahaaaa!
Wenn ich jetzt das Rad ein klein wenig von Zehn wegdrehe, geht der Bolzen hoch; drehe ich sofort wieder auf Zehn, geht der Bolzen wieder runter, weil ich noch nichts an dem Schlitz verändert habe. Drehe ich das Einstellrad in Fünferschritten von Zehn weg, dann geht der Bolzen irgendwann nicht mehr runter, wenn ich auf Zehn zurückdrehe: dann ist der Schlitz eben verändert worden. Die Zahl gerade vorher, die den Bolzen immer noch runtergehen ließ, ist die letzte Zahl der Kombination!
Ich stellte fest, daß ich das gleiche tun konnte, um die zweite Zahl zu finden: Sobald ich die letzte Zahl weiß, kann ich das Rad in die andere Richtung drehen und wieder in Fünferabschnitten die zweite Scheibe Stück für Stück verschieben, bis der Bolzen nicht mehr runtergeht. Die Zahl davor muß dann die zweite Zahl sein.
Wenn ich sehr geduldig gewesen wäre, hätte ich alle drei Zahlen auf diese Weise herausbekommen können, aber die erste Zahl der Kombination durch diese ausgeklügelte Methode herauszubekommen, hätte viel mehr Arbeit bedeutet als nur die zwanzig möglichen ersten Zahlen mit den anderen beiden Zahlen durchzuprobieren, die man bereits kennt, wenn der Aktenschrank geschlossen ist.
Ich übte und übte, bis ich bei offenen Aktenschränken die letzten beiden Zahlen herauskriegen konnte und dabei kaum auf das Einstellrad gucken mußte. Wenn ich dann bei irgend jemandem im Büro war und über ein physikalisches Problem diskutierte, lehnte ich mich an seinen offenen Aktenschrank, und genau wie jemand, der beim Sprechen zerstreut mit seinem Schlüsselbund spielt, drehte ich halt das Einstellrad hin und her, hin und her. Manchmal fühlte ich auch mit dem Finger nach dem Bolzen, damit ich nicht hinzuschauen brauchte, um zu sehen, ob er hochging. Auf diese Weise bekam ich bei mehreren Aktenschränken die letzten beiden Zahlen heraus. Zurück in meinem Büro, schrieb ich mir die beiden Zahlen auf ein Stück Papier, das ich im Schloß meines Aktenschranks aufbewahrte. Um an das Stück Papier zu kommen, nahm ich jedesmal das Schloß auseinander - ich fand, das sei ein sicherer Platz für die Zahlen.
Nach einer Weile begann meine Reputation zu wachsen, denn es kam vor, daß jemand zu mir kam und fragte: »He, Feynman! Christy ist nicht da, und wir brauchen Unterlagen aus seinem Safe - können Sie den mal aufmachen?«
Wenn ich wußte, daß es sich um einen Safe handelte, von dem ich die letzten beiden Zahlen nicht hatte, sagte ich einfach: »Tut mir leid, aber jetzt geht's nicht; ich muß dies hier machen.« Sonst sagte ich: »Yeah, aber ich muß mein Werkzeug holen.« Ich brauchte kein Werkzeug, aber ich ging in mein Büro, öffnete meinen Aktenschrank und schaute auf meinem Stückchen Papier nach: »Christy - 35, 60«. Dann nahm ich einen Schraubenzieher, ging hinüber in Christys Büro und schloß hinter mir de Tür. Es ist ja klar, daß nicht jeder wissen sollte, wie man das macht!
Ich war allein im Zimmer und öffnete den Safe in ein paar Minuten. Alles, was ich zu tun brauchte, war, die erste Zahl höchstens zwanzigmal auszuprobieren, dann saß ich fünfzehn oder zwanzig Minuten herum und las eine Zeitschrift oder etwas anderes. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wäre es ganz einfach; sonst wäre noch jemand daraufgekommen, daß ein Trick dabei war! Nach einer Weile öffnete ich die Tür und sagte: »Er ist offen.«
Die Leute dachten, ich würde die Safes aus dem Stand öffnen. Jetzt konnte ich der bei dem Zufall mit Staley entstandenen Vorstellung Nahrung geben, daß ich Safes ohne weiteres öffnen könnte. Niemand kam dahinter, daß ich mir die letzten beiden Zahlen von ihren Safes besorgte, obwohl
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