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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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denn ob die Deutschen über das Land zogen oder die Amerikaner samt Indern, Maoris, Algeriern, Marokkanern, Tunesiern, Schotten und Polen, das war den Italienern egal. Sie wollten frei sein, frei von allen fremden Völkern und wieder ihren Wein anbauen, ihr Obst, ihr Gemüse, ihre Oliven und Tomaten.
    Donna Rachele saß am Fenster und stampfte in einem geschlossenen hölzernen Faß Schafmilchsahne zu Schafbutter. Das eintönige Kluckern der Sahne in dem Holzgefäß und das rhythmische Stampfen lagen bedrückend in dem großen Raum. Felix Strathmann hockte am Herd. Er hatte den Kopf gesenkt und starrte auf den festgetretenen Lehmboden. Maria Armenata nähte an einem Umhang aus grobem Leinen.
    »Sie werden das Haus besetzen«, sagte Donna Rachele und unterbrach das Butterstampfen. »Sie werden sicher hier vorbeikommen. Wo wollt ihr dann hin?«
    Maria legte den Leinenumhang hin. »In die Berge, mia zia.«
    »Auch dort werden die Deutschen sein.«
    »Wir werden uns verstecken wie die Füchse. Sie werden uns nicht finden.«
    »Und wovon werdet ihr leben?«
    »Von Wasser und Wurzeln, wenn wir nichts mehr haben. Aber wir werden leben!« Marias Stimme klang bewußt. Ihre Worte waren nicht hingesprochen, man hörte, wie ihr ganzes wildes Wesen in ihnen lag.
    Felix Strathmann blickte auf. »Es hat keinen Zweck, Maria! Wir rennen durch das ganze Land, bis wir umfallen und nicht mehr die Kraft haben, uns von der Straße zu schleppen.« Er legte die Hände aneinander und lehnte sich gegen die Wand zurück. Seine Augen waren glanzlos geworden, die Kleidung, die ihm Donna Rachele von ihrem verstorbenen Mann gegeben hatte, schlotterte um den dürr gewordenen Körper. »Ich werde versuchen, zu meiner Truppe zurückzukommen.«
    »Nein, carissimo, nein!« Maria sprang auf. »Sie werden dich erschießen!«
    »Immer noch besser, als dieses Leben hier … immer gehetzt wie ein Stück Wild, immer auf der Flucht, keine Nacht ohne Schlaf, weil du denkst: Da knackt es … da … das sind Tritte … Jetzt kommen sie … Sie holen dich, sie reißen dir die Arme nach hinten, kugeln dir den Arm aus, und wie ein Stück Vieh wirst du weggeschleppt, an die nächste Wand oder unter den nächsten Baum. Standgericht … fünf Minuten … dann kracht es, oder du spürst den Strick um den Hals, und ein Mann unter dir tritt einen Eimer oder einen Holzblock weg. Ruck – geht es dann … Genickbruch … Aus! Gehenkt wegen Fahnenflucht!«
    Er schlug die Hände vor die Augen. »Ich halte das nicht mehr länger aus«, stöhnte er.
    Donna Rachele sah zu Strathmann hinüber. »Was sagt er?« fragte sie Maria. – »Er will weg.«
    Maria stand bleich neben dem Herd. Ihre Hand lag auf den blonden Haaren Strathmanns und streichelte sie leicht. Hilflosigkeit war in dieser Bewegung, aber auch ein Tröstenwollen von einer fast kindlichen Zärtlichkeit. »Wir wollen wieder in die Berge, zia. In den Abruzzen soll Larmenatto mit seiner Gruppe sein. Dorthin wollen wir.«
    »Die Abruzzen sind gut.« Donna Rachele erhob sich. »Dort könnt ihr euch gut verstecken. Ich mache euch einen Sack mit Essen fertig und ein Muli. In der Nacht könnt ihr reiten.«
    Strathmann nahm die Hände vom Gesicht. Er sah zu Maria auf, die ihm schwach zulächelte. »Ich gehe nicht mit«, sagte er leise.
    »Mio favorito.« Sie ließ ihre kleine, schmale Hand über sein verzerrtes Gesicht gleiten. »Nur ein paar Wochen noch, und wir sind frei. Dann werden wir durch das Land reiten und am Pescara sitzen, du wirst die kleinen, silbernen Fische fangen, die ich für dich brate. So frei werden wir sein, so herrlich frei, carissimo.«
    Strathmann schüttelte den Kopf. »Ich werde nie frei sein, Maria. Nie seelisch frei – wenn du verstehst, was das ist. Ich habe meine Kameraden allein gelassen, ich habe sie in ihrer schwersten Stunde verraten und bin weggelaufen. Wegen einer Frau. Nur wegen einer Frau! Nicht für eine Idee, für eine Weltanschauung, für ein religiöses Gefühl … nein, wegen zwei Lippen, zwei Brüsten und zwei weichen Schenkeln, die so warm sein können und so anschmiegsam. Das ist ja so gemein, so widerlich gemein, Maria. Ich bin ja nichts anderes als ein Schwein …«
    »Du bist mein Glücklicher.«
    »Hör auf damit!« Er schrie sie an und sprang auf. Wie ein gefangenes Tier rannte er im Zimmer auf und ab. »Ein Lump bin ich, ein erbärmlicher Schuft. Auf dem Monte Cassino liegt meine Gruppe und verblutet, und ich verstecke mich hier und hure in den Nächten, in denen die anderen

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