Sie fielen vom Himmel
daß der Sanitäter gerne rauchte.
»Danke, Herr Major.« Krankowski strahlte wie ein beschenktes Kind. »Herr Stabsarzt ist in der Ordination«, sagte er vornehm. »Ein Leutnant ist bei ihm.«
»Zu dem wollte ich gerade. Hauptmann Gottschalk erzählte mir von ihm. Der junge Herr hat sich nicht bei mir gemeldet. Also muß ich alter Krüppel kommen, um mir den Herrn anzusehen.«
Major v. Sporken stapfte den Gang entlang, klopfte kurz und betrat das Zimmer Pahlbergs. Verblüfft blieb er stehen, zog schnell hinter sich die Tür zu und räusperte sich laut. Dr. Pahlberg fuhr herum. »Herr von Sporken!« stotterte er.
Renate stand hinter seinem Rücken. Sporken konnte sie nicht sehen … nur das Leuchten ihrer blonden Haare bemerkte er. Er lächelte, sofort verstehend, welch eine einmalige Situation dieses Krieges er jetzt erlebte. Er hob die Hand, als Pahlberg etwas sagen wollte, und trat langsam näher. »Mir wurde gemeldet, daß ein junger Fallschirmjäger-Leutnant als Ersatz abgesprungen ist und sich bereits im Kloster befindet. Da er sich nicht bei mir meldete, kam ich hierher. Er sollte sich zum Lazarett gewandt haben, sagte man mir. Das Ganze muß ein Irrtum sein, nicht wahr, Pahlberg? Ist bei Ihnen ein Leutnant?«
»Nein, Herr Major. Aber ich –«
Sporken schüttelte den Kopf. »Mehr wollte ich nicht wissen. Man kann sich irren, vor allem, wenn die Nacht so dunkel ist.« Er nickte Pahlberg zu und wies auf seine Schulter, hinter der sich Renate verborgen hielt. »Und nun seien Sie so nett, lieber Doktor, und stellen Sie mir Ihre entzückende Braut vor. Dieses einmalige Teufelsmädchen, dem man die Schlüpfer strammziehen sollte!«
Dr. Pahlberg trat zur Seite. In ihrer schmutzigen Springeruniform, mit den dicken Stiefeln, die Maschinenpistole noch an der Seite, stand Renate im Schein der Petroleumlampen. Major v. Sporken schüttelte den Kopf.
»Unglaublich!« sagte er laut, um seine innere Ergriffenheit zu übertönen. Dann trat er auf Renate zu, küßte ihr wie bei einer Vorstellung im Kasino die schmutzige Hand und sah sie dann groß an. »Ich beneide unseren Freund Pahlberg um Sie, Renate. Ja, ja, ich weiß, wie Sie heißen. Glauben Sie, Ihr Bräutigam hätte Sie verleugnet? Kleingläubig war er, der Junge. Unterschätzt hat er Sie, Renate. ›Ich komme bald zu Dir‹, haben Sie ihm geschrieben … das wollte er nicht glauben. Und jetzt sind Sie da! Himmel noch mal – wenn die Liebe Berge versetzen könnte, gäbe es jetzt keinen Monte Cassino mehr!« Er wandte sich ab, stapfte zur Tür und drehte sich noch einmal bevor er sie öffnete. Die beiden standen noch immer reglos in dem dumpfen, halbdunklen Raum und sahen ihn an. »Wie sagt man doch bei uns«, meinte Sporken lächelnd. »Ach ja: Weitermachen!« Er klinkte die Tür auf. »Ich werde Krankowski sagen, er soll Sie eine halbe Stunde lang nicht stören … Sie hätten eine wichtige Herzoperation!« Er zog die Tür hinter sich zu und stand einen kurzen Augenblick sinnend in dem dunklen Gang. Auch er erfaßte die ganze Tragweite dieser noch nie dagewesenen Situation nicht, als er Renate gegenüberstand. Jetzt, außerhalb des Zimmers, überfiel ihn die Erkenntnis wie ein Schock. Ein Mädchen – an der Front, abgesprungen mit einer gestohlenen Uniform, mit einem gestohlenen Fallschirm, eingeschmuggelt in den Absprung von todgeweihten Ersatztruppen! Das war so ungeheuerlich, daß v. Sporken nicht weiterdenken wollte und ernst den Gang hinabging zu dem großen Verbandsraum.
Krankowski trat ihm entgegen.
»Operiert der Herr Stabsarzt noch?« fragte er.
»Aber feste«, antwortete Sporken mit grausamem Humor.
»Ich kann nicht zu ihm?«
»Auf gar keinen Fall. Die nächste halbe Stunde nicht. Er macht eine Herzoperation.«
»Was macht er?!« Krankowski starrte den Major ungläubig und erblassend an. »Das geht doch gar nicht! Wir haben doch keinen Überdruck hier!«
Sporken winkte ab. »Krankowski«, sagte er sarkastisch, »davon haben Sie keine Ahnung. Wenn Sie wüßten, welchen Überdruck wir hier haben –«
Verständnislos sah Krankowski dem Major nach.
In dem Hause Donna Racheles herrschte eine trübe Stimmung. Vom Markt, den sie nach wie vor belieferte, als sei kein Krieg, hatte sie die Nachricht mitgebracht, daß die deutschen Truppen sich am Monte Cassino nicht lange mehr halten könnten und bald zurückgehen würden. Überall auf den italienischen Märkten flüsterte man sich die Neuigkeiten von der Front zu. Es waren keine guten Nachrichten,
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