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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strathmann aber besucht jedes Jahr das Kloster Monte Cassino. In der neuerstandenen Basilika kniet er vor dem Altar und betet.
    Eine Wallfahrt, die seine Seele beruhigt, die nicht vergessen kann, daß er aus Liebe zum Verräter wurde.
    Am 22. März 1944, nachmittags gegen 15.30 Uhr, brachten Angehörige des von Major von der Breyle gebildeten Partisanenbekämpfungstrupps in einer Zeltplane einen Sterbenden. Von der Breyle saß in seinem Kellerraum an der Albaneta und stellte die Listen für den nächsten Nachschub zusammen, als die Soldaten mit ihrer Last in den Raum stolperten. Ein junger Unteroffizier meldete stramm den Vorgang. »Gruppe III vom Einsatz zurück. Feindberührung an Höhe 134. Partisanen zogen sich zurück unter Zurücklassung dieses Verwundeten.« Der junge Unteroffizier schluckte vor Erregung. »Ich glaube, es ist der lang gesuchte deutsche Kommandeur der Partisanen.«
    Von der Breyle umklammerte die Kante des Tisches, hinter dem er stand. Sein Gesicht war gelb geworden. »Danke«, sagte er. »Danke, Unteroffizier.«
    »Sollen wir einen Arzt holen?«
    »Wozu?« Breyles Hände zitterten. Seine Stimme verlosch wie eine abgebrannte Kerze. »Er wird sowieso hingerichtet … dann kann er auch so sterben.«
    Der Trupp verließ den Raum. An der zugeklappten Tür lag die Zeltplane. Die einzelnen Enden lagen zusammengeschlagen über der Gestalt, nur die Füße ragten aus ihr heraus. Lange, schmale Beine in deutschen Offiziersstiefeln. Er ist es nicht, sagte sich Breyle. Mein Gott, gib, daß er es nicht ist! Bitte, bitte – laß mich das nicht erleben. Ich flehe dich an. Ich schreie es dir zu: Bitte!
    Zögernd ging er zu der liegenden Gestalt und kniete neben ihr nieder. Einen Augenblick stockte er, die Zeltplane zurückzuschlagen und in das Gesicht zu blicken – dann riß er mit einem Ruck den Zipfel zur Seite.
    Sein Kopf sank auf die Brust, als habe ihn ein Schlag gefällt. Die Unerbittlichkeit des Schicksals drückte ihn auf die Erde. Jürgen.
    Von der Breyle sah in das schmale, wächserne Gesicht seines Jungen. Aus den Mundwinkeln war Blut geronnen und in den Kragen gelaufen. Das blonde Haar war verklebt … kalter Schweiß überzog das Gesicht, als habe es im Morgentau gelegen. Mit zitternden Fingern knöpfte Breyle die Uniform auf … fünf Einschüsse waren in der schmalen, eingefallenen Jünglingsbrust, der kurze Feuerstoß einer Maschinenpistole. Sie bluteten kaum, aber sie ließen das Leben nach innen verlöschen.
    »Mein Junge«, stammelte Breyle. »Mein lieber, lieber Junge …« Er legte seinen Kopf auf die zerschossene Brust und hörte schwach, ganz leise, stockend das Herz klopfen. Er weinte laut und tastete mit den Händen nach dem starren Gesicht, streichelte es, durchwühlte die Haare und ließ sie zurückgleiten zu den runden, kleinen Einschüssen. So lag er eine ganze Zeit, zerbrochen, wegfließend in Tränen, bis sich der Körper unter ihm rührte. Er richtete sich auf den Knien auf und streichelte wieder das Gesicht seines Jungen. Er sah, wie wieder Blut aus dem Mundwinkel rann, riß sein Taschentuch heraus und tupfte es ab, so zärtlich, so vorsichtig, als könne er ihm wehtun. »Jürgen«, sagte er leise. »Mein Jürgen …« Er lächelte ihn an, als er die Augen aufschlug mit einem weiten, fragenden Blick, in dem schon der Frieden der auf ihn zukommenden Unendlichkeit lag.
    »Vater …«, flüsterte er.
    »Ja, mein Junge.« Er nahm seine Hand und fühlte den schwachen Druck der blutleeren Finger. »Daß ich dich noch einmal sehe«, sagte er tapfer, »ist so schön …«
    »Ja, Vater.« Er schluckte, wieder rann Blut aus dem Mund, und Breyle tupfte es ab mit dem rotdurchnäßten Taschentuch. »Ist es vorbei, Vater?«
    »Ja, mein Junge.«
    Breyle deckte die Brust zu, er konnte die fünf Einschüsse nicht mehr sehen. Über das Gesicht Jürgens zog ein Schatten. Jetzt stirbt er, durchfuhr es Breyle, jetzt … jetzt … Er wollte den Kopf seines Sohnes in die Hände nehmen, bei ihm, an seiner Brust sollte er sterben … aber Jürgen wandte den Kopf ab und hob leicht die Hand.
    »Dein Jagdkommando hat mich erschossen«, flüsterte er.
    »Ja, Jürgen.« Breyles Herz zerriß in diesem Augenblick.
    »Nun wirst du sicherlich Oberstleutnant …«, hörte er die Stimme Jürgens sagen.
    Breyles Kopf sank auf die Schultern seines Sohnes. Er umfaßte den zuckenden Körper des Jungen mit beiden Händen und drückte ihn an sich. »Junge«, stammelte er. »O Junge, wie gemein ist diese Welt

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