Sie fielen vom Himmel
blutigen Hände. »Ich hatte die Möglichkeit dazu, die Operation nahm ihren normalen Verlauf … bis auf die Rillensonde …«
»Ihre dusselige Rillensonde!« Dr. Heitmann wurde ärgerlich. »Was verlangen Sie eigentlich von einem fliegenden Feldlazarett? Überdruck-Äthernarkose-Apparat, Sauerstoffzelt, vielleicht sogar eine Leukotomie-Anlage?! Lieber Pahlberg, das ist doch alles Unsinn! Wir sind hier, um die Fälle durchzubringen, die nach militärärztlichem Ermessen heilbar sind und deren höchste Stufe Amputationen sind. Wenn's hoch kommt, auch ein Lungenschuß … aber den schnell weg zum Hauptlazarett nach Rom. Wenn die dort keine Rillensonde haben« – er sprach das Wort ›Rillensonde‹ geradezu genußvoll aus –, »dann kann man von einem Mord reden! Allenfalls, mein Lieber, soweit dieses Wort in der militärischen Terminologie überhaupt vorhanden ist! Ich glaub's nicht! Soweit ich unterrichtet bin, katalogisiert man Ihren Milzzertrümmerungsfall auch als Heldentod vor dem Feind! Das ist gut so … denn ich glaube, ich rührte kein Skalpell selbst nicht mehr das dusselige Stethoskop an, wenn ich mein Gewissen damit belasten müßte, an dem Tod von Tausenden mitschuldig zu sein.«
Dr. Pahlberg antwortete darauf nicht. Er ging hinüber zum Waschbecken, spülte das Blut von seinen Händen, wusch sie, schrubbte die Arme bis über die Ellbogen hinauf, tauchte die Hände dann in Alkohol und ließ sich von Krankowski neue, sterile Gummihandschuhe überstreifen. Selbst eine neue Gummischürze verlangte er … Gustav Drage, der den Verwundeten auf Tisch 1 anästhetisiert hatte, band sie ihm um. Kopfschüttelnd sah ihm Dr. Heitmann zu. Der Schul-Chirurg, dachte er. Ich kann mir vorstellen, daß in 10 Jahren Prof. Dr. Pahlberg an einer Universitätsklinik seine Studenten und famuli verrückt macht mit seinem Sterilfimmel. »Meine Herren«, würde er sagen, »das A und O einer Operation ist die völlige Sterilität der Personen und des Raumes!« Das hatte zwar schon vor 50 Jahren Joseph Lister gesagt und sein Operationsfeld gegen Wundinfektion mit einem Karbol-Spray eingenebelt, aber Prof. Dr. Pahlberg würde es so übertreiben, daß er sogar die Schnürsenkel seiner weißen Operationsschuhe mit Karbol abrieb.
Durch die Tür wurde ein neuer Verwundeter getragen, ein Bauchschuß. Maschinengewehrgarbe … sieben Einschüsse, fünf Ausschüsse neben der Wirbelsäule, zwei Steckschüsse in den Därmen.
Dr. Pahlberg zeigte auf Tisch 2, den Tisch Heitmanns. »Dorthin! Krankowski, sorgen Sie dafür, daß der Exitus in den Nebenraum kommt! Drage, Sie machen die Instrumentenanreichung!« Er wandte sich Dr. Heitmann zu. »Darf ich Sie bitten, zu assistieren, Herr Oberstabsarzt?« fragte er steif.
»Aber bitte, bitte, Herr Pahlberg.« Dr. Heitmann trat an den Tisch heran. Pahlberg musterte ihn. »Bitte, neue Handschuhe«, sagte er leise. Wütend hielt Heitmann seine Hände Krankowski entgegen und ließ sich die Gummischützer überstreifen. Im Hintergrund rollten zwei Sanitäter den Toten aus dem Raum. Das Häuschen an der Weser wurde nicht gebaut …
In Rom versuchte Renate Wagner, das Lazarett in Eboli zu erreichen. Aber die Telefonverbindung zur Front war gesperrt, die Dienstleitungen waren besetzt, keiner wußte überhaupt richtig, wie es an der Salerno-Front aussah, wo der Amerikaner stand, wo der Engländer vorrückte, welche deutschen Verbände im Einsatz lagen.
Das Oberkommando der Wehrmacht schwieg. Die Wehrmachtsberichte waren dünn. Sie erwähnten kaum den italienischen Schauplatz. Feldmarschall Rommel lag in Oberitalien und entwaffnete immer noch die meuternden italienischen Truppen, Feldmarschall Kesselring, als Oberbefehlshaber Süd, richtete dringende Bitten an die Wehrmachtsleitung und bat um Einsatz der Rommelarmeen. Das OKW schwieg … die beiden hochwertigen Panzerdivisionen, die bei Mantua-Modena standen, lagen weiter faul in der Sonne, die Heeresgruppe Rommel verzettelte sich mit Aufräumungsarbeiten, während sich im Süden das Schicksal der 10. deutschen Armee entschied. Der Druck der Landungsdivisionen nahm zu, Luftmarschall Tedders operativer Einsatz zerschlug die deutschen Stellungen, zermalmte die Verteidiger, schaffte mit den weittragenden Schiffsgeschützen Admiral Cunninghams ein Inferno auf dem Küstenstreifen, in dem sich die letzten deutschen Kompanien festkrallten. 31.000 t Bomben warf Tedders Luftflotte auf die deutschen Stellungen; von See her, von Malta kommend, rückten zur
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