Sie fielen vom Himmel
war eine Kolonne, die nach Süden mußte. Nach Süden. Zu Erich.
»Allerdings, Schwester.« Der Stabsarzt sah auf Renate Wagner hinunter. Er war zwei Kopf größer und bewunderte den jetzt zerflatterten ›Goldhelm‹ des Mädchens.
»Nehmen Sie mich mit?«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst?!« Der Arzt lachte. »Sie haben Humor, Schwester!«
»Nein, Angst!« Sie schrie es ihm ins Gesicht, wild, unbeherrscht, am Ende ihrer Selbstbezwingung. Der Stabsarzt wich einen Schritt zurück und musterte sie wie einen Fall von akuter Paranoia. »Ich habe Angst!« schrie sie weiter. Ihr Gesicht war aufgelöst, es glich einer flüchtig modellierten Maske. »In Eboli ist mein Verlobter, Stabsarzt Dr. Pahlberg. Ich möchte zu ihm. Helfen Sie mir. Bitte, bitte, helfen Sie mir. Nehmen Sie mich mit!«
»An die Front? Unmöglich! Melden Sie sich beim Kommandeur der Sanitätsstaffeln.«
»Dort bin ich 'rausgeflogen!«
»Beim Nachschubkommandanten!«
»Der hat mich behandelt wie ein kleines Kind und mir philosophische Ratschläge gegeben. Sie sind ja alle verrückt hier!«
»Ein wahres Wort.« Der Stabsarzt nickte. »Aber ich bin noch nicht verrückt genug, Sie einfach mitzunehmen. Als blinden Passagier, sozusagen! Nein, liebe Schwester … Ich beneide den Herrn Kollegen in Eboli um seine tapfere und energiegeladene Braut, aber helfen kann ich weder ihm noch Ihnen.«
Am Nachmittag des 13. September rückte die Lazarettkolonne aus den Caracalla-Thermen ab. Richtung Süden … über die Via Casilina. Nach Cassino, dem großen Bollwerk zwischen Neapel und Rom. Dem Tor zur Heiligen Stadt, der militärischen Pforte für Clarks 5. Armee und Montgomerys 8. Armee. Renate Wagner stand am Straßenrand, als die Lazarettkolonne abrückte. Sie weinte, still, ganz versunken in ihrem Schmerz. Lautlos rannen ihr die Tränen aus den Augen. Einzelne Landser blieben verwundert stehen, dann gingen sie weiter, als sie sahen, daß die blonde, weinende Schwester ihre Worte nicht hörte.
An diesem Nachmittag des 13. September meldete Luftmarschall Tedder an General Clark, daß in der Nacht zum 14. September britische Luftlandetruppen vor und hinter den deutschen Verteidigungslinien abgesetzt werden würden. Der gefährliche Gegenschlag Kesselrings sollte im Keime erstickt werden, die bedrängte 5. amerikanische Armee sollte Luft bekommen und freien Weg in die Gebirge und die Ebene der Campagna hinein. Freien Weg nach Rom. Von allen Seiten drängten die deutschen Divisionen zur Küste, ein neues Dünkirchen zeichnete sich ab. Von Battipaglia marschierte die 34. Fallschirmjäger-Division bereits in Richtung Salerno.
In Eboli operierten Dr. Pahlberg, Dr. Heitmann und Dr. Christopher Tag und Nacht, während das Lazarett teilweise schon abgebaut wurde, um weiter an die Küste verlegt zu werden. Der junge Ersatz hatte die ersten Feuerproben überstanden. Leutnant Jürgen von der Breyle war seit zwei Tagen damit beschäftigt, Briefe an die Eltern oder Frauen der Gefallenen zu schreiben. Oberst Hans Stucken trug ein Schreiben des OKW mit sich herum und hütete es wie seinen Augapfel. Es war die Verleihung des Ritterkreuzes an Hauptmann Gottschalk für seinen Handstreich auf Battipaglia. Die 3. Kompanie war auf dem Marsch nach Persano.
Unterdessen standen 3.500 Fallschirmjäger der britischen Airborne bereit, im Rücken der Deutschen zu landen. Sie hatten ihre Fallschirme umgeschnallt und warteten auf den Befehl, die Transportmaschinen, die C47, zu besteigen.
Major Hans von der Breyle war schlechter Laune. Seit dem Gespräch mit seinem Sohn vor drei Tagen durfte ihn keiner unnötig anreden. Er wurde ruppig, ausfällig und glitt in einen Jargon ab, der in der deutschen Wehrmacht eigentlich das Vorrecht ostpreußischer Unteroffiziere war. Die letzte Nachricht seines Sohnes erhielt er vor vier Stunden durch das Telefon. Oberst Erdmann von der 271. PD rief an und sagte: »Lieber Major, Ihr Sohn möchte Sie sprechen.« Dann war Jürgen am Apparat und sagte hart: »Lieber Vater, ich wollte dir nur sagen, daß von meinem Ersatzhaufen 70 Prozent gefallen sind! Ich bin dabei, in stolzer Trauer 183 Briefe an die Eltern zu schreiben. Es muß für dein Soldatenherz ein Genuß sein, zu hören, daß diese 183 Jungen tapfer gestorben sind, wirklich wie Helden, mit der Waffe in der Hand. Sie haben nicht geweint, sie haben nicht gejammert, sie starben still. Die meisten wußten gar nicht, daß sie starben – so schnell ging es!«
Wütend hatte Major von der Breyle das
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