Sie fielen vom Himmel
Verstärkung die Schlachtschiffe ›Warspite‹ und ›Valiant‹ heran und ankerten in der Salerno-Bucht. Auf See kreuzten als letzte Reserve die Schiffsriesen ›Nelson‹ und ›Rodney‹, die stärksten Panzerschiffe der britischen Navy.
In Rom rannte Renate Wagner von einer Dienststelle zur anderen. Sie hatte es längst aufgegeben, mit Eboli in eine Sprechverbindung zu kommen; nun versuchte sie, ein Kommando zu finden, das die Möglichkeit hatte, sie nach Eboli in das Lazarett als Krankenschwester zu kommandieren. Der Oberst, der den Einsatz der Lazaretthilfskräfte befehligte, sah Renate Wagner ungläubig an, als sie mit ihrer Bitte zu ihm kam. »An die Front?!« fragte er gedehnt. »Sie? Als Mädchen? Was denken Sie sich eigentlich bei dieser dämlichen Bitte?« Er schnitt sich eine dicke Zigarre ab und ließ sich von Renate Feuer reichen. »Wissen Sie nicht, daß die Tommys dabei sind, den ganzen Salerno-Raum einzukesseln? Von Süden rückt Montgomery heran … hat er erst die Verbindung mit der 5. amerikanischen Armee, dann geht uns hier der Allerwerteste auf Grundeis. Sie sollten nicht daran denken, wie Sie nach Süden kommen, sondern sich einen sicheren Platz aussuchen, der Sie im rechten Augenblick nach Norden führt!« Er blies den blauweißen Qualm der Zigarre gegen die Decke.
Renate Wagner sah auf die große Karte, die auf dem Tisch des Obersten ausgebreitet lag. Runde Kreise in Rot, in Gelb, in Blau bedeckten die Gebiete.
»Mein Verlobter ist in Eboli. Stabsarzt Dr. Pahlberg.«
Der Oberst hob die Schultern. »In Eboli sind schätzungsweise 5.000 Verlobte und noch mehr Ehemänner. Wenn ich alle Frauen 'runterschaffen sollte, könnten wir eine weibliche Armee aufstellen!«
»Ich bin Krankenschwester, Herr Oberst.«
»Das sehe ich an Ihrer Tracht.«
»Ich könnte im Lazarett helfen!«
»Dafür haben wir unsere Sanis. Helfen Sie hier in Rom. Die Lazarette sind überfüllt. Jeden Tag kommen die Laz-Züge aus dem Süden und spucken die Schwerverletzten aus. Hier gibt es genug zu tun. Wo sind Sie übrigens eingesetzt?«
»Im Lazarett III, Herr Oberst.«
Der Oberst nickte. »Und da bleiben Sie auch. Da sind Sie an der richtigen Stelle. Nach Eboli kommen Sie nie! Eine Frau bei der kämpfenden Truppe – verrückt!«
Er winkte ab. Umständlich streifte er die lange weiße Asche von seiner Zigarre.
Renate Wagner rannte weiter … zwei Tage … drei Tage lang. Sie drang bis zum Kommandeur der Ersatztruppen vor, einem müden, alten Herrn mit weißen Haaren, der lieber auf der gläsernen Terrasse seines Gutes in Mecklenburg säße als in dem Hexenkessel Rom.
»Seien Sie froh, daß Sie hier sind, mein Kind«, sagte er mit der gütigen Weisheit des Alters, die sich nicht mehr gegen ein Schicksal wehrt, sondern es nur kritisch betrachtet. »Was wollen Sie in Eboli? An seiner Seite stehen? Heroisch mit ihm im feindlichen Feuer operieren? Verkörperung des Germanentums? – Frauen, die in der Schlacht ihren Männern die Spieße reichen? Thusnelda, die moderne? Mein liebes Kind – Liebe ist etwas Schönes, Reines. Ich weiß es. Sie will auch Opfer bringen. Das ist gut. Aber irgendwo ist eine Grenze, an der hinter dem Verstand die Dummheit beginnt. Diese Grenze liegt bei Salerno – Neapel – Eboli! Beten Sie zu Gott, daß Ihr Verlobter wiederkommt. Das ist der einzige Rat, den ich Ihnen reinen Gewissens geben kann.«
Dann stand sie wieder auf der Straße. Das hektische Leben einer Stadt, auf die ein großes Heer marschiert, um sie zu erobern, umgab sie mit nervenzerfressendem Lärm. Kolonnen zogen durch die Straßen, den großen Routen des Südens entgegen … der Via Appia nuova, Via Casilina, Via Ostiense und Via Prenestina. Panzer, Munitionswagen, leichte Artillerie, schwere Geschütze auf Selbstfahrlafetten, Sturmbatterien. Ein langer Zug mit Pontons versperrte fast eine Stunde lang die Straße … Pioniere rückten nach Süden, um über den Rapido bei Cassino Notbrücken zu bauen, über die der Nachschub schneller an die Front rollen sollte.
In den Gartenanlagen vor den riesigen Caracalla-Thermen stand eine Lazarettstaffel. Die roten Kreuze auf dem weißen Kreis leuchteten weit in der Sonne. Sie rannte über die Straßen und drängte sich durch die Wagen bis zum Lazarettstab.
»Sie fahren an die Front?!« rief sie atemlos, als sie vor einem Offizier stand. Sie achtete nicht darauf, ob er Stabsarzt war oder Oberstabsarzt oder Unterarzt. Es war ja alles so gleichgültig, so nebensächlich … Hier
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