Sie fielen vom Himmel
Schwein!« brüllte er. »Sie ausgequetschte Wanze! Springen Sie – los! 'raus aus dem Loch!«
Der Junge duckte sich wie unter einem mächtigen Schlag. Er umklammerte seinen Karabiner und atmete tief. Dann schnellte er aus dem Loch, rannte gebückt durch die Einschläge, warf sich hin, kroch einen Meter … schnellte empor, rannte … warf sich hin … schlug einen Haken … lief, das Gewehr vor sich herstoßend, durch den Rauch einer Detonation und stürzte in den Eingang des Unterstandes. Dort preßte er sich an die Wand, warf das Gewehr weg, schlug die lehmklebenden Hände vor das Gesicht und schluchzte.
Lehmann III sah dem Springenden nach. Er kritisierte jeden Schritt, er hatte große Lust, nachzulaufen und dem ›Rohrkrepierer‹ zu zeigen, wie man sich hinwirft, das Gewehr mit den angewinkelten Armen schützend.
Er hörte das Rauschen nicht mehr, das die Luft über ihm erfüllte, er überhörte auch das Orgeln, das tiefer und tiefer wurde … er starrte dem Laufenden nach und ärgerte sich, wie arschlahm er wieder aufsprang und durch die Einschläge hetzte. Dann brach die Erde neben ihm auf, ein Vulkan aus Feuer und Eisen. Genau auf dem Lochrand, über dem sein Kopf hervorsah, krepierte die Granate und zerriß den Feldwebel Lehmann III in kleine Stücke. Er starb mitten in seiner Wut, er merkte nicht einmal, was ihm geschah … es wurde dunkel, das war alles.
Am Eingang des Unterstandes standen die anderen und sahen hinüber zu dem dampfenden Trichter.
»Da hat er gestanden«, würgte der Junge und zeigte auf den Trichter. »Dort hat er mich hinausgeworfen …« Er beugte sich nach vorn und erbrach sich vor Ekel und Grauen.
Die Reste von Lehmann III sammelte man nicht auf. Es waren nur Uniformfetzen, in den Lehm gepreßte Fleischstückchen und über den Hang verteilte Knochen mit ein paar Sehnen daran.
Auch er war gefallen für Großdeutschland. Ein Held in der Schlacht.
Zwei Tage später fiel auch der Junge, den er aus dem Loch gejagt hatte.
Oberst Stucken versuchte gerade, eine Verbindung mit seinem zweiten Bataillon in Albanete zu bekommen, als die 142 ›Fliegenden Festungen‹ über die Berge stießen und auf den Monte Cassino zuflogen. Im Tal schwieg die Artillerie, und die Panzer zogen sich zurück. Die Infanterie-Sturmtruppen der Inder und Neuseeländer verharrten in ihren Ausgangsstellungen und starrten empor in den blauen, fast frühlingshaften Himmel. Es war um dieselbe Zeit, in der General Gruenther auf seine Armbanduhr sah, auf den langsam sich vorwärts tickenden goldenen, schmalen Zeiger, in der General Clark das Zimmer verließ und nicht mehr an diesen Tag erinnert werden wollte. Dieselbe Stunde, in der General Freyberg über dem Monte Cassino und der ehrwürdigen Abtei auf der großen Generalstabskarte ein Kreuz machte und damit den Berg und ein Heiligtum der Christenheit strich.
Oberst Stucken hörte das helle Brummen der 142 Maschinen und sah aus seinem Bunker hinaus in die klare Luft. Er winkte sogar noch Major von der Breyle und Major v. Sporken herbei und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das große Geschwader, das unbehindert, wie zu einer Übung fliegend, auf den Berg zukam.
»Wo die hinhauen, wächst kein Gras mehr«, bemerkte Stucken. »Wenn sie sich die Nachschubwege vornehmen, sehe ich äußerst schwarz für die Munitions- und Medikamentenkolonnen, die uns vom Armeekommando versprochen worden sind.«
In diesem Augenblick, kaum daß er den Satz zu Ende gesprochen hatte, klappten die Bombenschächte der ›Fliegenden Festungen‹ auf, und ein Regen von schwarzen, torkelnden und todbringenden Stahlklumpen fiel durch das Blau des Himmels auf das Kloster zu.
Oberst Stucken hatte noch von seinem letzten Wort den Mund offen, als er das auch für ihn unbegreifliche Phänomen am Himmel sah. Major v. Sporken preßte die Hand auf das Herz … er hatte das Gefühl, schreien zu müssen. »Sie bombardieren das Kloster …«, stammelte er. Da hatten die ersten Bomben den Berg erreicht.
Die Welt ging unter in einem Aufschrei und einem Bersten, das alle zu Boden warf und das gegen die Trommelfelle schlug wie ein Schmiedehammer. Die Erde zitterte wie in einem Schüttelfrost, zog sich zusammen und dehnte sich wieder, durch den Boden pflanzten sich wellenförmig die Zuckungen fort, mit denen der Berg das Aufreißen seiner Wunden begleitete. Sporken lag eng an die Felswand gedrückt und ließ den Blick nicht von dem untergehenden Kloster. Es war ihm, als gehe in dieser Stunde die
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