Sie fielen vom Himmel
geht um das Land, um die Farm, um das nackte Leben … darum Brand gegen Brand! Terror gegen Terror! Grauen gegen Grauen! Tod gegen Tod!
Ist das die ideale Welt, für die es sich lohnt, zu leben? Ist das das Ethos des neuen Menschen, für das du den alten verraten hast?! Ist das der Frieden, für den ein Inferno Voraussetzung ist, damit es ihn gibt?! O Jürgen, Jürgen – wir beide verstehen diese Welt nicht mehr … ich nicht und du nicht. Ab heute wissen wir es … ab heute, dem 15. Februar 1944, genau 9.45 Uhr vormittags! Mit diesem Datum, dieser Zeit sind wir gestorben, Jürgen, du und ich. Wir sind moralisch tot, seelisch, weltanschaulich, geistig … wir sind in allen menschlichen Funktionen so völlig gestorben, daß es eine Schande ist, daß unser Leib noch atmet, das Blut noch durch die Arterien läuft und unsere Sinne noch empfinden. Wir erleben den technischen Akt vom Fortbestand einer Maschine, die Körper heißt, die läuft und Energie ausschüttet und von der niemand weiß, warum sie noch läuft. Denn die Seele ist tot, die sie antrieb, und der Geist ist tot, dem sie Blut gab, und die Moral ist gestorben, der sie Stütze gab, und der Glaube ist zerfetzt, den sie glaubte, erkennen zu lassen. Warum wir auf der Welt sind, wissen wir nicht mehr, Jürgen, denn unsere beiden Welten, so fremd sie einander waren, sind ein Schuttberg geworden. Ein Schuttberg mit sterbenden, röchelnden, wimmernden, irrsinnigen, betenden, schreienden, verblutenden, kriechenden, stammelnden und toten Menschen. Frauen, Greisen, Kindern und Mönchen. Und sie werfen noch immer, sie schießen vom Tal noch immer dazwischen. Welle um Welle donnert über den blauen Himmel und läßt den Tod auf den Berg regnen. Immer neue Rohre richten ihre Feuer auf das Kloster und zerstampfen die meterhohen Trümmerberge und die Menschen, die vor den Bomben nach draußen flüchten, in die Sonne Gottes, der schweigt, weil er wohl vor Grauen und Kummer ohnmächtig wurde in seinem Himmel, den er für die Menschen schuf …
Von der Breyle hockte an der Felswand. Er sah hinüber zu v. Sporken. Der feinsinnige, gebildete, immer stille Mann, der Kunstexperte und Retter der Klosterschätze, lag auf dem Bauch und weinte. Oberst Stucken lehnte am Grabenrand. Für ihn war der Untergang des Klosters eine Gewißheit, die man jetzt einkalkulieren mußte. Er durfte sich nicht aufhalten mit moralischem Nachdenken … er setzte im Geiste bereits die Truppen fest, die nach der Bombardierung sofort die Schuttberge des Klosters besetzen sollten, um aus ihnen jetzt wirklich eine Festung zu machen, an der sich die Inder Freybergs totrannten.
Die 3. Kompanie, legte Stucken fest. Ein Zug Nebelwerfer, eine Gruppe schwerer MGs, vier 7,5-cm-Gebirgsgeschütze und eine Gruppe Pioniere mit Flammenwerfern und T-Minen. Dazu Panzerjäger mit Panzerfäusten und leichter Pak. In der Nacht würden die ganzen Stege und Straßen, die Serpentinen und die Abhänge vermint, ebenso sollten rund um die Stadt Cassino, die nur noch ein rauchender Schuttberg war, eine Trümmerwüste, in der jeder Stein, jeder Keller, jeder Mauerrest eine Festung würde, die Via Casilina entlang bis zum Rapido von den Pionieren Minenfelder gelegt werden, in die man die angreifenden Truppen hineintreiben wollte.
Hans Stucken stieß v. Sporken an, dessen Körper noch immer bei jedem Einschlag zusammenzuckte, als habe die Bombe oder Granate ihm gegolten.
»Sporken – aus dem Kloster machen wir ein zweites Verdun!« schrie er ihm ins Ohr, um das Krachen der Detonationen zu übertönen. »Sie sollen nicht vergeblich aus diesem Berg einen Vulkan machen! Wir werden uns festkrallen und um jeden Zentimeter kämpfen!«
Sporken nickte.
»Es gibt kein Kloster mehr!« schrie er mit bebender Stimme zurück. »Ich werde mit den Männern die Trümmer besetzen. Ich kenne dort fast jeden Gang und jeden Keller!«
»Sie?!« Stucken schüttelte den Kopf. »Ich brauche Sie, Sporken! Vergessen Sie nicht, daß Sie mein Ia sind!«
»Lassen Sie das Breyle mitmachen! Ich muß zu dem Kloster hinauf!« Sporken drehte sich auf den Rücken. Um sie herum krepierten die Granaten der massiert schießenden Artillerie. Zwischen den Einschlägen hörten sie fernes Schreien. Eine langgezogene Stimme brüllte: »Sanitäääääter! Sanitäääääter!« Durch das terrassenförmige Graben- und Bunkersystem der Bergstellungen hetzten zwischen Trichtern und surrenden Splittern die Krankenträger herum, keuchten die Melder von Gefechtsstand zu
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