Sie haben 1 ungelesenes Buch
und andere User Status Updates, Bilder, Videos, Links und vieles mehr posten können. Schon vor dem Ausbau zur → Timeline eine neuartige Mischung aus virtuellem Tagebuch, Poesiealbum und öffentlichem Chat. Vor allem Letzterer, der durch die Kommentarfunktion ermöglichte Small Talk vor Publikum, muss zweifellos als Facebook-Errungenschaft gelten. Er bietet dir eine zwar vollkommen sinnfreie, dafür aber absolut neuartige Form sozialer Verständigung: dahinplätschernde Gespräche voller Zuneigungsbekundungen, die sich insbesondere auf den Walls → bester Freundinnen finden.
Ein Beispiel:
»Partttyy! Mädels, ich freue mich auf Euch :)!«
»Ich mich auch! KUSSY, meine Süßeste! Ins Nightloft?«
»Mausilein, super Idee! Und die anderen? Aber …«
»Ja, dann doch ins Pascha. Oki, bring Sektchen mit! ‚*hehehe*«
»I LIKE :-)))«
Der Abdruck der darauf folgenden 34 Kommentare würde das lexikalische Format dieses Buches sprengen. Das Ergebnis sei dem interessierten Leser gleichwohl verraten: Ein Sektabend zu zweit vor Germany’s Next Topmodel.
Weitere Bedeutungsebenen der Wall in Kurzform: unerschöpfliches Reservoir für Mobber und Stalker, im verwaisten Zustand untrügliches Anzeichen mangelnder Beliebtheit, als Anglizismus Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs (Wer denkt bei »Wall« noch an eine Mauer?) und damit auch Gegenstand von Zeitgeistkritik. Wie viele Straßenkünstler haben sich schon mit Graffitis wie »Fuck Facebook – I write it on WALLS!« als post-digitale Bohemiens zu profilieren versucht?
Warteschlangen
verleiten wie auch andere Wartesituationen in besonderem Maße zur routinemäßigen und gerade deshalb kaum hinterfragten Praxis des »Facebook-Checkens«. Mit bemerkenswerter Konzentration und interessiertem Blick scrollen Menschen den → Newsfeed herunter, erblicken mit angestrengter Miene Nichtinformationen (»Geilo! Wie cool!«, »Sunny day, yeah!«) von Nichtfreunden ( → Freunde ) und schreiben mit der Ernsthaftigkeit eines einen Milliardendeal beglaubigenden Notars ihren Status Update: »Langeweile … :-(«.
Weltbürger
Eine Facebook-Spezies, die auf allen Kontinenten zu Hause ist. Verfügt über eine die Weltbevölkerung repräsentativ wiedergebende Freundesliste und verbringt angesichts seiner vielen Langstreckenflüge und Freunde überraschend viel Zeit auf Facebook. Seine Spracheinstellung: selbstredend Esperanto! Die für eine erleichterte internationale Kommunikation entwickelte und freilich auch auf Facebook verfügbare Sprache beherrschen Schätzungen zufolge weltweit nicht mehr als zwei Millionen Menschen. Für grenzüberschreitende Verständigung wäre von daher wohl Englisch oder Spanisch vorzuziehen; die elitäre Pose des Weltbürgers (automatisierter Walleintrag: »… verwendet Facebook jetzt auf Esperanto.«) fördert diese Sprachoption indes sehr wohl.
Weihelied
hat Facebook (noch) nicht, hätte es angesichts seiner Mitgliederzahl und fundamentalen Bedeutung für unsere Kommunikationsgewohnheiten aber durchaus verdient.
Top 4
Wo bleibt die Facebook-Hymne? Unsere Top 4 in umgekehrter Reihenfolge
4. Ralph Siegels »Facebook Uh, oh, oh«
Plus: schwer zu sagen, irgendwo aber Gesamtkunstwerk (siehe → Verfügbarkeit )
Minus: großer Nervfaktor
3. »Facebook Anthem«
Plus: mitreißende Neuauflage von Billy Joels »We didn’t start the fire«; fast sechs Millionen Klicks auf YouTube
Minus: Interpret unbekannt; viiiel zu kritisch …
2. »No te metas a mi facebook« der kolumbianischen Band Esteman
Plus: lädt auch Ältere zum Mitklatschen ein; rhythmisch (eben Südamerika …)
Minus: zu unamerikanisch
Empfehlung:
1. »Creep«, der Radiohead-Song, gesungen vom belgischen Mädchenchor Scala & Kolacny Brothers
Plus: bereits bekannt aus dem Trailer zu »The Social Network«; vom untrüglich geschmackssicheren David Fincher für gut geheißen; lädt zwar nicht zum Mitgrölen, dafür aber – für Facebook-Junkies viel sinnvoller – zum Innehalten ein.
Geheimtipp:
Eurocats – »Surfen Multimedia« (1996)
Plus: ein Text, der rein technologisch seiner Zeit weit voraus war, geile Kombo, geile Kostüme, geile Bühnenshow, geile Melodie …
Minus: Nichts!
Wenig-Adder
Gegenstück zum → Viel-Adder . Ein wahrlich bewundernswerter und ebenso selten vertretener Nutzer-Typus. Macht eine tatsächliche und fortbestehende emotionale Verbundenheit zur Voraussetzung seiner Facebook-Freundschaften. Pflegt und hegt seine Freundschaftsliste wie ein
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