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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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und sorgt dafür, dass deine Kinder in Sicherheit sind. Aber über so was solltestdu überhaupt nicht so viel nachdenken. Bald können wir uns ein Haus und ein Auto leisten, und dann holst du deine Kinder hierher nach England.«
    Mir wurde ganz schlecht, als er mich an sich zog. Glaubte er denn wirklich, dass wir noch jahrelang zusammenbleiben würden? Mit allem, was ich getan hatte, wollte ich meine Kinder doch vor ihm beschützen – und nicht sie zu ihm holen.
    »Komm schon, Baby«, sagte Ardy und fing an, mich zu berühren, und ich lag wie tot unter seinen Händen.
     
    Dauernd musste ich an das denken, was Ardy zu mir gesagt hatte. Ich war wieder mal so dumm gewesen. Er würde mich nie gehen lassen. Am liebsten hätte ich geschrien, wenn die Freier mich anfassten, hätte am liebsten Ardy geschlagen, wenn er neben mir lag, aber ich war so sehr gefangen wie eh und je. Entweder war ich im Haus oder in der Sauna eingesperrt; Ardys albanische Freunde waren überall, und in der Sauna wussten alle, dass er mein Zuhälter war, und sie erzählten ihm ganz genau, was ich machte, und ich musste doch meine Kinder beschützen.
    Das einzig Gute in meinem Leben war Jackie, eine Frau, die mit mir zusammen in der Sauna arbeitete. Die anderen Mädchen sahen nur voller Verachtung auf mich herab, weil ich einen Zuhälter hatte, doch Jackie war anders. Wir kamen ins Gespräch, als ich eines Tages sah, wie sie ein Foto betrachtete.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Mein Sohn«, erzählte sie mir und hielt mir das Foto hin. Das Baby war so goldig mit den blonden Haaren, den blauen Augen und pausbäckigen Wangen.
    »Er ist wunderschön!«, rief ich. »Was für ein hübsches Baby.«
    Sie lächelte. »Hast du auch Kinder?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Über meine Kinder hatte ich bei der Arbeit noch mit keinem gesprochen. Aber als ich Jackie so ansah, wurde mir klar, dass sie nur eine Mutter war, die eine andere Mutter nach ihren Kindern fragte.
    »Ja«, antwortete ich. Nach und nach erzählte ich ihr etwas über meine Kinder und dann auch über mich, und bald wurden wir Freundinnen. Jackie lebte mit ihrem Kind allein und hatte angefangen, in der Sauna zu arbeiten, weil sie mit dem Geld vom Staat nicht auskam, wie so viele Frauen, die ich kennengelernt hatte und die ihren Kindern etwas Besseres bieten wollten und sich deshalb verkauften. Ich erzählte ihr von Sascha und Luda und auch ein bisschen von Pascha, aber alles konnte ich ihr nicht sagen; sie hätte es nicht verstanden.
    »Eines Tages werden wir wieder alle zusammen sein«, sagte ich, aber ich erzählte lieber nicht zu viel von den Kindern, sonst wäre ich noch halb wahnsinnig geworden, so wie es mir in Italien gegangen war.
    Ich war inzwischen Expertin im Abschalten von Gefühlen geworden. Ich weinte und schrie nicht mehr im Badezimmer – eine ganze Weile hatte ich das jetzt schon nicht mehr getan. Stattdessen trank ich einfach, wenn ich wieder einmal traurig war, zwei doppelte Wodkas in der Sauna, und dann ging es mir schnell wieder besser. Ich gestattete mir überhaupt nicht mehr, an die Kinder zu denken, und meistens klappte das auch, aber immer noch gab es Tage, an denen ich auf dem Weg zur Arbeit mit Ardy und Defrim Frauen mit ihren Kindern sah und dann den Kopf abwenden musste, um mir die Tränen zu verbeißen.
    Immer wenn ich mit Jackie sprach, sah ich im Geiste wieder die Gesichter meiner geliebten Kinder vor mir. Der Schmerz war fast unerträglich, wenn ich mir klarmachte, dass ich sie nun schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Verzweifeltsehnte ich mich nach ihnen, und immer wieder dachte ich an das Versprechen, sie bald wieder anzurufen. Beim letzten Mal hatte ich vor fast vier Monaten von Roberto aus angerufen. Aber wie sollte ich dieses Versprechen je halten?
    »Weißt du, wie ich telefonieren könnte?«, fragte ich Jackie eines Tages. »Ich habe kein Handy.«
    Gleich nach unserer Abreise aus Italien hatte mir Ardy das Handy weggenommen.
    »Benutz doch das Telefon hier im Flur«, riet mir Jackie. »Dafür brauchst du allerdings eine Telefonkarte. Ich kann dir eine kaufen, wenn du willst. Gib mir einfach nur das Geld.«
    Mein einziges Bargeld waren die fünf Pfund, die mir Ardy jeden Tag fürs Essen gab. Konnte ich das nehmen, ohne dass er es herausfand? Bei dem Gedanken fing ich an zu zittern, aber ich wusste, es war die einzige Möglichkeit, mit zu Hause in Kontakt zu treten; also musste ich das Risiko auf mich nehmen.
    Eines Abends,

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