Sie haben sich aber gut gehalten!
nach Hause zu eilen, sage ich mir.
«Aber
nur
Cola, keinen Bacardi», antworte ich und laufe rot an, da ich ahne, was er vorhat. Nur gut, dass John im Halbdunkel des Wagens meine verräterische Gesichtsfarbe nicht sehen kann. Ich stelle den Motor wieder an und lenke den Wagen auf die andere Straßenseite, wo ein Parkplatz frei ist.
«Versprochen!» Er hebt grinsend die Hand, als wolle er schwören. «Du musst ja noch zurückfahren – oder?»
Das «oder» und der laszive Ton in seiner Stimme verraten deutlich, was er im Sinn hat.
Als wir die vier Treppen zu Johns Wohnung hochsteigen, klingelt sein Handy. Er angelt es aus der Manteltasche, wirft einen flüchtigen Blick auf das Display und schaltet das Gerät kopfschüttelnd aus.
«Meinetwegen kannst du gerne rangehen. Vielleicht ist es ein wichtiger Kunde», sage ich lauernd, denn natürlich wüsste ich zu gerne, wer ihn am Samstagabend um neun anruft. Sicher kein Kunde!
«Nein, für heute ist der Laden geschlossen», erklärt er. Als wir vor seiner Wohnungstür stehen, dreht er sich zu mir und sieht mir tief in die Augen. «Jetzt gibt es nur noch uns!»
Ich rechne diese unverblümte Flirtattacke seinem angeheiterten Zustand an und ziehe es vor, nicht darauf einzugehen.
John schließt auf, und die Tür öffnet sich direkt in einen großen, fast leeren Raum. Einen Flur gibt es offenbar nicht. Er geht einen Schritt voran und sagt: «Willkommen in meinem bescheidenen Heim.»
«Oh, das ist … beeindruckend!» Ich kann mein Erstaunen nur mühsam verbergen.
Unter den Dachschrägen des tanzsaalgroßen Raums erblicke ich auf dunklem Parkett lediglich ein ausladendes rot-braunes Ledersofa. Flankiert von zwei antiken Beistelltischen, steht es auf einem flauschigen Teppich vor einem modernen Edelstahlkamin. Die linke Hälfte des Zimmers trennt ein gradliniges Einbauelement aus dunklem Holz ab. Erst beim zweiten Hinsehen erkenne ich es als Küchenblock. Dahinter klebt die Skyline von München als schwarz-weiße Fototapete an der Wand.
John hilft mir aus der Jeansjacke, zieht dann seinen Mantel aus und wirft beides lässig über einen futuristisch anmutenden Drahtgeflecht-Stuhl neben dem Eingang.
«Tja, viel zu sehen gibt es leider nicht, deshalb erübrigt sich eine Hausbesichtigung», scherzt er. «Also, nimm doch Platz, mach’s dir gemütlich.»
«Ich könnte mal kurz dein Badezimmer
besichtigen
», flachse ich zurück. «Du hast doch eines?»
«Logo!» Er lacht und weist mit der Hand nach rechts. «Da geht’s lang.»
Das Bad interessiert mich aber eigentlich nicht besonders, die Anzahl der Zahnbürsten dagegen umso mehr. Johns Badezimmer erweist sich als hellgrau-weiße Symphonie aus Chrom, Glas und Granit mit türkisen Handtüchern als Farbtupfer. Über dem rechteckigen Waschbecken hängt ein wandhoher Spiegel, dessen indirekte Beleuchtung sich beim Türöffnen automatisch eingeschaltet hat. Der aufgeräumte und extrem saubere Eindruck lässt mich rätseln, ob er eine Putzfrau beschäftigt oder ein Ordnungsfanatiker ist. Denn außer einer Seife in der Silberschale sehe ich keine Kosmetikartikel. Nicht mal sein Aftershave oder eine Zahnbürste kann ich entdecken. Sicher verwahrt er das alles in den Schubladen unter dem Waschbecken, überlege ich und lasse mich auf dem Rand der freistehenden Badewanne nieder, bemüht, meine Neugier in Zaum zu halten. Es geziemt sich einfach nicht, in fremden Sachen rumzuwühlen. Andererseits! Nur mal einen kurzen Blick reinzuwerfen, wird doch wohl erlaubt sein.
Wie erhofft finde ich in den beiden Schubladen auf der linken Seite nur
eine
Zahnbürste. Außerdem einige Pflegeprodukte für Männer, dazu einen Rasierapparat und ein Nageletui.
Doch rechts gibt es noch zwei Schubladen, die zu ignorieren ich leider nicht schaffe. In der oberen liegt ein Haartrockner, der mich stutzen lässt. Wozu braucht John einen Föhn?, frage ich mich. Seine Haare sind doch so kurz, dass er sie mit einem Handtuch trocken rubbeln kann. Hektisch reiße ich die nächste Lade auf – und entdecke eine Body-Creme im Porzellantopf! Ich zögere einen Moment, doch dann hole ich die Dose heraus und öffne sie. Der Duft erinnert an Zitrusfrüchte und ähnelt Johns Aftershave. Na gut, er gehört offensichtlich zu den Männern, die ihren Körper pflegen, sage ich mir, packe den Tiegel zurück und verlasse beruhigt das Badezimmer. Gäbe es nämlich eine Frau in seinem Leben, würde sie schließlich viel mehr als nur einen Cremetopf in seinem Bad
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