Sie kam, sah und liebte
gesagt.
Sie richtete sich auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Sie schlüpfte in ein übergroßes T-Shirt und ging durch die dunkle Wohnung in die Küche. Dort öffnete sie den Kühlschrank und spähte hinein. Es war schon einige Zeit her, dass sie ihn gereinigt hatte. Sie griff nach einem Glas, in dem nur noch eine Gurkenscheibe schwamm, und stellte es auf die Arbeitsplatte. Es folgten ein leeres Senfglas und eine Milchtüte, die sie zu dem Gurkenglas stellte. Ein Schmerz wühlte in ihrer Brust, ihr Kopf schien mit Watte ausgestopft zu sein. Liebend gern hätte sie geschlafen, bis der Schmerz vorüber war, doch selbst wenn sie hätte schlafen können, wäre er beim Aufwachen doch wieder da gewesen.
Das Telefon klingelte, und als es aufhörte, legte sie den Hörer neben den Apparat. Sie holte den Abfalleimer und ein Scheuermittel unter der Spüle hervor, und stellte beides neben den Kühlschrank. Nur um eine Beschäftigung zu haben, machte sie sauber. Um zu verhindern, dass sie vollends den Verstand verlor. Es half jedoch nicht, denn trotzdem durchlebte sie jeden schönen und aufregenden und grauenhaften Moment, den sie mit Luc Martineau geteilt hatte, noch einmal. Sie erinnerte sich, wie er den Dartspfeil aufs Ochsenauge geworfen hatte, als könnte er den Treffer durch Muskelkraft erzwingen. Wie er Motorrad fuhr, und wie es gewesen war, hinter ihm auf der Maschine zu sitzen. Sie rief sich die Farbe seiner Augen und seines Haars ins Gedächtnis. Den Klang seiner Stimme und den Duft seiner Haut. Die Berührung seiner Hände und seines Körpers, wenn er sie an sich drückte. Seinen Geschmack in ihrem Mund. Wie er aussah, wenn sie miteinander schliefen.
Sie liebte alles an Luc. Doch er liebte sie nicht. Sie hatte gewusst, dass es einmal zu Ende sein würde. Irgendwann. Die Honey-Pie -Episode hatte das Unvermeidliche nur beschleunigt. Selbst wenn sie den Artikel nicht abgeschickt, wenn sie ihn gar nicht geschrieben hätte, wäre eine Beziehung zwischen ihr und Luc auf die Dauer nicht gut gegangen, sosehr sie auch aufs Gegenteil gehofft hatte. Ken tat sich mit Barbie zusammen. Mick ging mit Supermodels aus, und Brad heiratete Jennifer. Punkt, aus. So war das Leben. Das Ende ihrer Beziehung war nicht ihre Schuld. Er hätte sie so oder so verlassen. Wahrscheinlich war es gut, dass er jetzt schon gegangen war, versuchte sie sich einzureden, anstatt erst in ein paar Monaten, wenn sie noch mehr an ihm entdeckt haben würde, das sie liebte. Wenn es noch schmerzhafter gewesen wäre. Obwohl sie sich nichts vorstellen konnte, was noch schmerzhafter sein könnte als ihr derzeitiger Zustand. Sie hatte das Gefühl, dass ein Teil von ihr gestorben war.
Jane stellte ihr Scheuermittel auf die Arbeitsplatte und warf einen Blick quer durch die Wohnung auf ihren Aktenkoffer, den sie nachlässig auf dem Kaffeetisch abgelegt hatte.
In diesem Scheiß- Honey-Pie -Artikel kommen ein paar Dinge zur Sprache, die einfach ein bisschen zu deutlich sind, um nur Zufall sein zu können , hatte er gesagt.
Sie war von Anfang an davon ausgegangen, dass er sich in der Episode erkennen würde, war aber nicht auf die Idee gekommen, dass er auch sie erkennen könnte. Sie ging zum Sofa und setzte sich. Da werden Dinge über dich und mich geschrieben, die tatsächlich passiert sind. Sie zog ihren Laptop aus dem Koffer und fuhr ihn hoch. Sie öffnete ihren Honey-Pie- Ordner und klickte die Märzepisode an. Bis jetzt hatte Jane sich geweigert, sie noch einmal zu lesen. Aus Angst, die Story könnte grauenhaft sein, wenig schmeichelhaft und nicht so gut, wie sie geglaubt oder beabsichtigt hatte. Während sie las, erkannte sie verblüfft, wie deutlich sie hatte durchscheinen lassen, dass es tatsächlich um sie ging. Es wäre weitaus verwunderlicher gewesen, wenn er keinen Verdacht geschöpft hätte. Je länger sie las, desto deutlicher stellte sich ihr die Frage, ob sie womöglich mit Absicht Hinweise eingestreut hatte. Es war fast so, als würde sie auf den Seiten auf und ab hüpfen, mit den Armen fuchteln und schreien: Ich bin’s, Luc. Ich, Jane. Ich hab das geschrieben.
Hatte sie gewollt, dass er herausfand, wer die Verfasserin der Kolumne war? Nein. Natürlich nicht. Das wäre ja dumm gewesen. Das würde bedeuten, dass sie die Beziehung absichtlich hintertrieben hatte.
Sie lehnte sich zurück und blickte über den Raum hinweg auf den Kaminsims. Betrachtete das Foto von sich und Caroline. Und den Kristallhai, den Luc ihr geschenkt hatte. Wann
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