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Sie kam, sah und liebte

Sie kam, sah und liebte

Titel: Sie kam, sah und liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gibson Rachel
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Suche nach einem passenden Internat? Vielleicht mehr, als er sich eingestehen wollte. Das schlechte Gewissen ließ sich nicht länger ignorieren. Es drückte ihn schwer, als er aufstand und neben seine Schwester trat. »Ich will dich nicht belügen.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter und drehte Marie zu sich herum. »Ehrlich gesagt, ich weiß einfach nicht, was ich mit dir machen soll. Ich kenne mich mit Mädchen in deinem Alter nicht aus, aber ich sehe doch, dass du unglücklich bist. Ich möchte dir so gern helfen, aber ich weiß nicht, wie.«
    »Ich bin unglücklich, weil meine Mom gestorben ist«, sagte sie mit dünner Stimme. »Und nichts und niemand kann mir helfen.«
    »Ich weiß.«
    »Und keiner mag mich.«
    »Hey.« Er drückte ihre Schulter. »Ich mag dich, und du weißt, dass Tante Jenny dich mag.« In Wirklichkeit wollte Jenny, dass Marie sich auf Besuche im Sommer beschränkte, doch das brauchte Marie nicht zu wissen. »Sie hat sogar damit gedroht, mich vor Gericht zu zerren und das Sorgerecht für dich zu beantragen. Ich glaube, sie hat so eine Vorstellung von sich und dir in farblich abgestimmten Hausanzügen. «
    Marie rümpfte die Nase. »Wieso habe ich nichts davon erfahren? «
    »Du hattest genug andere Sorgen«, wich er aus. »Ich habe mehr Geld als Tante Jenny, deshalb hat sie dann wohl einen Rückzieher gemacht.«
    Marie runzelte die Stirn. »Jenny lebt in einer Seniorenresidenz. «
    »Ja, aber betrachte es mal von der positiven Seite. Sie würde dir jeden Abend ihren Spezial-Pflaumenpudding vorsetzen. «
    »Igitt!«
    Luc lächelte, schob die linke Manschette zurück und warf einen Blick auf die Uhr. Das Bankett musste jeden Augenblick beginnen. »Ich muss gleich los«, sagte er, brachte es aber doch nicht fertig, Marie allein zu Hause zu lassen. »Warum ziehst du nicht dein neues Kleid an und kommst mit?«
    »Wohin?«
    »Zu einem Bankett in der Space Needle.«
    »Mit alten Leuten?«
    »So alt sind sie nicht. Es wird bestimmt ein Heidenspaß.«
    »Musst du nicht gleich los?«
    »Ich warte auf dich.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ach, ich weiß nicht.«
    »Komm schon. Die Presse ist auch vertreten, und vielleicht kommt dein Bild in die Zeitung, so toll, wie du aussiehst, und dann kann der blöde Zack sich selbst in den Arsch treten.«
    Sie lachte. »In den Hintern, wolltest du sagen.«
    »Genau. In den Hintern.« Er schob sie zu ihrem Kleiderschrank. »Jetzt setz deinen Hintern in Bewegung«, sagte er, schon auf dem Weg aus dem Zimmer, und schloss die Tür hinter sich. Er hoffte, dass Marie sich ein bisschen beeilte, aber wie alle Frauen, die er kannte, brauchte auch sie ziemlich lange, um sich fertig zu machen.
    Er trat vor die hohen Fenster und blickte hinaus auf die Stadt. Der Regen hatte aufgehört, doch an den Scheiben hingen noch Tropfen und verwischten das glitzernde Bild von Seattle bei Nacht, von den hohen Wolkenkratzern und Elliott Bay jenseits von ihnen. Er hatte diese Wohnung nur wegen des Ausblicks gekauft, und wenn er durch die Küche oder seine Schlafzimmertür auf der anderen Seite des Apartments ging, dann stand er auf dem Balkon und konnte den perfekten Ausblick auf die Space Needle und das nördliche Seattle genießen.
    Die zahlreichen Fenster boten wirklich ein spektakuläres Panorama, doch Luc musste gestehen, dass die Wohnung nie ein richtiges Zuhause für ihn geworden war. Vielleicht aufgrund der modernen Architektur, vielleicht auch deswegen, weil er nie zuvor über einer Stadt gewohnt hatte, was ihm immer ein wenig das Gefühl gab, in einem Hotel zu leben. Wenn er die Fenster öffnete oder auf dem Balkon stand, wehten die Geräusche von Autos und Bussen zu ihm herauf, und auch das erinnerte ihn an Hotels. Obwohl ihm Seattle und alles, was die Stadt zu bieten hatte, gefielen, überkam ihn doch manchmal leise kribbelnd der Wunsch, zurück nach Hause zu gehen.
    Als Marie schließlich auftauchte, trug sie ein kleines Halskettchen aus Rheinkieseln und ein passendes Stirnband, das die Locken aus ihrem Gesicht hielt. Ihre Frisur war süß, aber das Kleid – das Kleid sah grauenhaft an ihr aus. Etwa zwei Nummern zu klein. Der schwarze Samt saß zu eng um Brust und Po, und die kleinen Ärmelchen schnitten in ihr Fleisch. Obwohl Marie gewöhnlich übergroße T-Shirts und Sweatshirts trug, wusste Luc, dass sie nicht zu dick war. Doch in diesem Kleid sah sie mollig aus.
    »Wie sehe ich aus?«, fragte sie und drehte sich um die eigene Achse.
    Die Mittelnaht im Rücken verzog

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