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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Umriss, doch ohne sein Gesicht zu sehen. Wortlos schloss er die Türe, trat an ihr Bett, setzte sich. Sie spürte, was er wollte, dass er zu guter Letzt seine Scheu überwunden hatte, und sie wusste, was sie tun würde: Ihm zu Willen sein. Verglichen mit Mizizios fand sie ihn wenig anziehend – er war klein, seine Gesichtszüge hart und sein Auftreten oft grob, fast linkisch. Aber dafür strahlte er eine Kraft aus, die an Besessenheit grenzte. Einen unbedingten Willen zur Macht, der sie erschreckte, zugleich jedoch auch faszinierte. Vor allem aber war er derjenige, der über ihr Schicksal gebot. Die schreckliche Zeit auf dem Schiff war Pelagia eine harte Schule gewesen und hatte ihr eines ins Gedächtnis gebrannt: Nie wieder solches Elend, nie wieder Sklavin unter Sklaven! Zwar hatte sie oft an Flucht gedacht, doch den Gedanken immer schnell verworfen. Tausend Meilen durch das von den Sarazenen beherrschte Gebiet, als junge Frau ohne Geld, ohne Kenntnis der Sprache, ohne eine Ahnung von den Ländern, die sie heimlich durchqueren musste, verfolgt von Dauds Häschern – sie konnte sich ausmalen, wie das enden würde.
    »Komm«, flüsterte sie, streckte ihre Arme aus und zog ihn zu sich. Als sie ihm den weiten Burnus vom Körper streifte, hörte sie, wie sein Atem schneller wurde. Ihre Rechte betastete seine Brust, fuhr über die Muskeln, spielte mit den Haaren, glitt tiefer, fühlte seine Erregung. »Ich will dich«, hauchte sie und war erstaunt, wie leicht ihr die Lüge von den Lippen ging. Jetzt lag Daud auf ihr, den Oberkörper auf die Ellbogen gestützt, küsste sie ungeschickt, dann verschob er seine Hüften, bis er sie nehmen konnte. Seine Bewegungen waren heftig, abgehackt, grob – die Art eines Mannes, dessen Erfahrungen mit Frauen sich auf käufliche Liebe beschränken. Auf den flüchtigen Umgang mit Weibern, die keinen Wert auf langes Vorspiel legten, da sie nur eines wollten: Rasch ihre Kunden abfertigen. Ein vorgetäuschtes Luststöhnen, die aufgehaltene Hand, einige Münzen, ein flüchtiger Abschied – schon wartete der Nächste … Und so kam Daud auch schnell zum Höhepunkt, um danach erschöpft auf ihr zu liegen. Sie spürte sein Herz pochen und streichelte gedankenverloren seinen Rücken. Als er sich nach einiger Zeit erhob, murmelte sie: »Das war schön. Kommst du morgen wieder?«
    »Ja«, antwortete er mit rauer Stimme. »Ja, ich werde wiederkommen.« Er zog sich an und ging, während sie noch lange über ihr weiteres Schicksal nachsann.
    ***
    »Pelagia, wir sind da!«
    Dauds Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie schob den Vorhang abermals zur Seite und sah Festungsmauern und Türme aus Quadersteinen aufragen, während ihr Kamel auf einen großen Torbogen direkt vor ihnen zuschritt. Daud blickte sie von seinem Reittier aus an, das er neben das ihre gelenkt hatte. »Wir müssen die Stadt durchqueren, am Heiligtum vorbei, bis zu unserem kleinen Palast!«
    Trotz ihrer Erschöpfung versuchte sie ein Lächeln. »Schön. Ich bin froh, wenn wir endlich angekommen sind.«
    Daud hatte ihr erzählt, dass er von seinem Beuteanteil ein geräumiges, leer stehendes Haus erworben hatte. Obwohl Damaskus jetzt die Residenz des Beherrschers der Gläubigen war, hatte sich die Stadt noch nicht wieder von den Kriegen der letzten Jahrzehnte erholt. Die Römer, denen die Stadt jahrhundertelang gehört hatte, waren von den angreifenden Persern vertrieben worden, um diese ihrerseits ein Jahrzehnt später wieder aus dem Lande zu werfen. Wenige Jahre danach waren die Sarazenen eingefallen, abgezogen, nur um bald darauf die Stadt erneut zu belagern. Wie Daud berichtete, hatten nach der ausgehandelten Übergabe viele wohlhabende Griechen die Gelegenheit ergriffen, mitsamt ihrer beweglichen Habe den abziehenden Truppen des Kaisers zu folgen und sich in Konstantinopel niederzulassen. Ihre Häuser waren in das Eigentum der Umma, der Gemeinschaft der Gläubigen, übergegangen, ebenso ihre Ländereien.
    Erwartungsvoll musterte Pelagia die Geschäfte beidseits der Straße. Hier waren bunte Stoffballen gestapelt, dort glänzten Kupfergefäße, ein Stück weiter folgten Rollen fein gewebter Teppiche, dann zogen braun glasierte Teller, grünliche Glasflaschen, lederne Satteltaschen und kunstvoll geflochtene Körbe an ihren Augen vorbei. Dazwischen drängten sich Männer mit Pluderhosen und Turbanen, Wüstenbewohner mit Kopftüchern und Mönche in ihren dunklen, oben spitz zulaufenden Kapuzenkutten. Ein Wasserverkäufer pries

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