Sie kamen bis Konstantinopel
Anschlag eines religiösen Fanatikers verwundet worden war, schützte eine Maqsura genannte Einfriedung seinen Platz, den seine Leibwache mit blanken Schwertern umgab. Manchmal nutzte der Kalif auch die Gelegenheit, als religiöser Führer über den Glauben zu predigen und wichtige politische Botschaften zu verkünden. Obwohl Pelagia kein Arabisch verstand, übte die harte, befehlsgewohnte Stimme, die über den Platz hallte, eine seltsame Faszination auf sie aus. Zu dieser freitäglichen Mittagsstunde mieden die Christen den Ort, denn viele Sarazenen feindeten sie an, da sie ihnen den prächtigen Kirchenbau neideten, den sie am liebsten niedergerissen sehen wollten. Daud hatte erzählt, dass der Kalif vergeblich versucht habe, für eine hohe Summe Goldes den Christen den Platz abzukaufen. Doch die Gemeinde hatte immer auf den Übergabebedingungen beharrt, denen zufolge sie von den Kirchen der Stadt ein Drittel behalten durfte, darunter auch die Johanneskathedrale.
Je weiter Pelagias Schwangerschaft fortschritt, desto besorgter gab sich Daud um ihr Wohlergehen. Dass er ihr befohlen hatte, die Sänfte zu nehmen, statt durch die Gassen zu laufen, konnte sie noch gut hinnehmen, schämte sie sich doch selbst ihres leichten Hinkens. Doch mit der Zeit schien er immer stärker darauf bedacht zu sein, dass sie sich überhaupt möglichst wenig außerhalb des Hauses zeigte.
»Du hast doch hier alles, was du brauchst, meine Gazelle«, bemerkte er mit der Freundlichkeit, hinter der er ihr gegenüber oft seine Härte verbarg.
Pelagia sah ihn fragend an, die schnurrende Diana auf dem Schoß. Wegen ihres raubtierhaften Anpirschens hatte sie der Katze, die ihr immer mehr ans Herz gewachsen war, den Namen der heidnischen Göttin der Jagd gegeben. »Was meinst du damit?«
»Dass der Platz der Frau im Haus ist …«
»Soll ich denn nicht in die Stadt dürfen?«, begehrte Pelagia auf. »Soll ich wie eine Einsiedlerin leben? Soll ich nicht unter andere Menschen kommen?«
Daud zog die Augenbrauen zusammen. »Ich glaube, du vergreifst dich im Ton.« Dann nahm er beschwichtigend ihre Hand. »Bist du unglücklich, genügt dir unser Leben nicht?«
Pelagia zögerte kurz, bevor sie widerwillig einlenkte. »Entschuldige, natürlich ist es schön. Aber ich möchte auch Damaskus kennenlernen, durch die Märkte streifen. Kannst du das nicht verstehen – die Stimmen der Händler hören, die samtene Haut der Pfirsiche berühren, den Duft der Gewürze riechen, den Glanz der Goldketten sehen, mich an den bunten Stoffen erfreuen …«
Ihr Herr schien zu überlegen. »Wenn es denn sein muss … Aber du darfst nur verschleiert ausgehen.«
»Verschleiert? Was soll ich denn verbergen?«, rief sie und entzog ihm so heftig ihre Hand, dass Diana maunzend aufsprang, um mit hoch erhobenem Schwanz aus dem Raum zu stolzieren.
»Und was willst du unbedingt zur Schau stellen?«, gab er scharf zurück, während sein linkes Augenlid zuckte. »Warum willst du auf den Gassen den Neid der Frauen erregen? Oder, schlimmer noch, die Begehrlichkeit der Männer?« Seine Stimme wurde schneidend. »Bei uns ist es Sitte, dass die Frau ihre Schönheit für ihren Ehemann aufspart, anstatt eitel damit herumzuprunken. Darum will Allah, dass sittsame Frauen ihre Blöße bedecken!«
Pelagia starrte ihn an, nickte dann stumm und senkte den Kopf. Sie kochte innerlich, wusste aber inzwischen, wann Widerspruch zwecklos war.
»In einem Monat erwarte ich Schirin aus Medina«, fuhr Daud zufrieden fort. »Bis dahin wird das Haus umgebaut, damit es für meine Mutter und die meines Sohnes die richtige Wohnstatt bietet.«
Was er damit meinte, sollte Pelagia bald erfahren. Die Fenster, die auf die Straße gingen, wurden teils verschlossen, teils mit kastenförmigen Holzgittern verkleidet, durch die man hinunterspähen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Innen wurden Türen zugemauert, so dass ein abgetrennter Bereich entstand, der in der Sprache der Sarazenen Haram genannt wurde, was soviel wie heiliger, abgegrenzter Bezirk bedeutete. Für einen prallen Beutel Goldstücke erwarb Daud auch einen feisten Beschnittenen namens Sergios, der das Haus verwalten sowie den Haram bewachen sollte. Er war ein kleiner Mann, der stets lächelte, lautlos wie eine Schlange durch die Räume glitt und dessen stechenden Augen nichts zu entgehen schien. Pelagia hasste ihn aufrichtig.
Im Dezember, als kalte Winde über die Stadt fegten, ritt Daud in bester Stimmung los, seiner Mutter entgegen, um
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