Sie kamen bis Konstantinopel
den Ziegenlederschläuchen erfrischte den Gaumen nur kurzzeitig. Obgleich erst beim letzten Brunnen eingefüllt, war es bereits lauwarm, schmeckte schal und abgestanden. Bald war der Mund wieder trocken, die Zunge klebte am Gaumen, feine Sandkörner knirschten zwischen den Zähnen. Erschöpft hatte Pelagia es aufgegeben, den Vorhang des Baldachins beiseitezuschieben, der ihren Sitz auf dem Kamelrücken vor der Sonne schützte. Es war ihr gleichgültig geworden, wie die ausgedörrte Sommerlandschaft aussah, die an ihr vorüberzog. Die ewig gleichen Lehmziegelhütten, die ewig gleichen gelblichen Stoppelfelder, die ewig gleichen staubigen Felsen, die ewig gleichen Herden zotteliger Ziegen. Sie wünschte sich nur noch eines: anzukommen. Endlich in Damaskus anzukommen!
Zu Beginn der Reise, als sie nach zwei Monaten Aufenthalt in der hell schimmernden Marmorstadt Alexandria das Schiff bestiegen hatte, war alles noch neu und aufregend gewesen. Ashkelon, Joppe, Akko, Tyrus, Sidon – das bunte Treiben in den Hafenstädten, die sich wie Perlen längs der palästinensischen und phönizischen Küste reihten, hatte Pelagias Neugierde geweckt und sie vorübergehend ihr Schicksal vergessen lassen. In Berytos, dem Ziel ihrer Schiffsreise, waren sie sogar eine Woche geblieben, da Daud eine nahegelegene Erzmine in Augenschein nehmen wollte, deren Eisen für den Flottenbau wichtig war. Pelagia konnte sich in der Stadt frei bewegen, wurde aber stets von zwei kräftigen Nubiern begleitet, die zu Dauds persönlicher Leibwache gehörten. Dessen Kühnheit bei der Ghaziya, dem Raubzug gegen Syrakus, war selbst dem Kalifen zu Ohren gekommen, so dass er ihm zusammen mit dem Admiral die Gnade einer Audienz gewähren würde.
»Damaskus!« Der Name verbreitete sich rasend schnell in der Karawane.
Pelagia spähte zwischen den Vorhängen hinaus. Die Ebene, die sie durchquerten, war erfüllt von Olivenbäumen und Reihen grüner Weinreben, die sich bis zu den Mauern der Stadt erstreckten. Es schien Markttag zu sein – Karren voller Melonen, mit Säcken beladene Esel und Bauern mit Rückentragen, aus denen die Hälse von Hühnern ragten, schoben sich über die Straße, so dass die Karawane nur schleppend vorankam. Pelagia wandte sich neugierig um. Dabei kreuzte ihr Blick den des völlig entkräfteten Urso, dem Schweißtropfen über das staubige Gesicht rannen. Sie versuchte ein aufmunterndes Lächeln, konnte sie sich doch unschwer vorstellen, wie der an solche Hitze nicht gewöhnte Mann leiden musste.
Er verzog die Mundwinkel und hob die Hände zu einer schicksalsergebenen Geste, bevor sein Kopf wieder nach vorne sackte.
Während ihr Kamel seinen wiegenden Passgang fortsetzte, schweiften Pelagias Gedanken erneut zu den Wochen in Alexandria zurück.
Bei der Verteilung der Beute hatte der Blick von Abdallah Ibn Kais anfangs wohlwollend auf ihr geruht. Als sie jedoch seinem Befehl Folge leistete und hinkend aus der Menge der Gefangenen trat, flog ein Schatten des Unwillens über das gebräunte Gesicht des Admirals und er winkte ab. So war es für Daud ein Leichtes gewesen, sie und Urso zu seinem Teil der Beute zu schlagen. Die beiden wurden in das Haus gebracht, das er in der Nähe des Hafens bewohnte. Urso teilte eine Kammer mit den Dienern, und nachdem Pelagia Daud gegenüber ihr Wort verpfändet hatte, dass er nicht fliehen würde, konnte er sich weitgehend frei in der Stadt bewegen. Sie selbst dagegen musste im Haus bleiben, das sie nur zusammen mit ihrem Herrn verlassen durfte. Die Tage vergingen, ohne dass er sie anrührte, und Pelagia fragte sich schon, welche Pläne er hegen mochte.
Eines Abends war es so schwül, dass sie keinen Schlaf finden konnte und nackt auf dem Bett lag. Durch das offene Fenster schimmerte die dünne Sichel des zunehmenden Mondes, umgeben von flimmernden Sternen. Von der Straße schallten griechische Worte herauf – betrunkene Seeleute, die aus einer nahen Schänke torkelten. Grölend erkundigten sie sich beim Wirt nach dem nächsten Hurenhaus, lachten prahlerisch, bis endlich ihre Schritte in der Ferne verklangen.
Pelagia, die sich unwillkürlich verkrampft hatte, atmete langsam aus. Wie leicht wäre das ihr Schicksal gewesen – wenn sie nicht zufällig ihren Herrn an seine unerfüllte Liebe erinnert hätte.
Etwas später, eine Zikade zirpte monoton, irgendwo in der Nähe spielte jemand Laute, und Pelagia war gerade dabei, in den Schlaf zu sinken, wurde die Türe vorsichtig geöffnet. Sie erkannte Dauds
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