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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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heutzutage war es wohl kaum mehr als eine Geisterstadt, durch die der Wind den Sand blies – zerstört von den gleichen Sarazenen, die sie nun nach Alexandria verschleppten, um sie dort auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen.
    Da jetzt das Wetter schön blieb, konnte Pelagia einmal am Tag beobachten, wie die anderen Gefangenen – etwa zwei Dutzend Männer und fünf Frauen – auf Deck geführt wurden. Als besondere Gunst ihrer Herren durften sie sich mit Eimern voller Seewasser überschütten und so zumindest notdürftig säubern, wobei für die Frauen ein mit Tüchern abgesperrter Bereich vorgesehen war. Die Seeleute – hauptsächlich aus Alexandria stammend und gleichfalls Christen – sahen meist betreten weg, wenn die abgerissenen Gestalten aus der Luke auftauchten.
    An Sarazenen war neben Daud, der klein und von sehniger Gestalt war, noch etwa ein Dutzend dunkelhäutiger, schlanker Männer an Bord, die nie ihre Waffen ablegten und alle anderen scharf überwachten. Fünfmal am Tag jedoch breiteten sie auf dem Deck ihre kleinen Teppiche aus, knieten sich in Richtung Südosten und vollführten hingebungsvoll ihre seltsamen Verbeugungen.
    Nach etwa zwei Wochen Fahrt tauchten rechterhand die graublauen Umrisse der Kyrenaikaküste aus dem Dunst, einmal ließ sich eine erschöpfte Möwe auf dem Bugspriet nieder. Da wurde Daud, der nach wie vor täglich zu Pelagia kam, von immer größerer Unruhe erfasst. Er schien sehr viel von der Seefahrt zu verstehen und trieb die Besatzung ständig an, durch leichte Änderungen des Kurses oder der Segelstellung sein Schiff noch schneller zu machen, bis es fast an der Spitze der Flotte fuhr.
    Als sie Dauds Meinung nach noch etwa drei Tagesreisen von ihrem Ziel entfernt waren, hörte Pelagia plötzlich Gepolter und Schreie aus dem Unterdeck. Unwillkürlich hoffte sie auf eine Revolte der Gefangenen, die sie alle befreien würde, doch offenbar war es nur bei der Essensausgabe zu einer Schlägerei gekommen. Hauptschuldiger schien der bärenstarke Schmied zu sein, der Urso zufolge unter seinen Leidensgenossen ein Schreckensregiment errichtet hatte, sich stets bedienen ließ und von den anderen verlangte, ihm einen Teil ihrer Rationen abzugeben. Irgendwie war er mit dem Wärter, der das Essen brachte, aneinandergeraten und hatte ihn zu Boden geschlagen.
    Als Daud davon erfuhr, verhärtete sich sein Mund zu einem schmalen Strich. Er verließ Pelagias Lager und brüllte Befehle in der Sarazenensprache. Vier seiner Männer griffen ihre Krummdolche, die sie stets am Gürtel trugen, eilten unter Deck und schleppten den sich heftig sträubenden Schmied herauf. Auf ein Zeichen Dauds hin rissen sie ihm das Oberteil seiner Tunika vom Leib und banden ihn an den großen Mast in der Schiffsmitte. Einer der Seeleute erschien, in der Hand eine Lederpeitsche. Pelagia konnte sein Gesicht sehen, die niedrige Stirne und den leicht geöffneten, zu einem bösartigen Lächeln verzogenen Mund. Er tauchte die geflochtene Lederschnur in einen Eimer mit Seewasser, ließ sie dann mit geübten Bewegungen durch die Luft sausen, bevor er sich seitlich aufstellte und auf das Zeichen des Befehlshabers wartete.
    »Zwanzig«, befahl Daud mit unbewegtem Gesicht. Der Auspeitscher holte aus, die Peitschenschnur pfiff und landete mit einem lauten Klatschen auf dem Rücken des Gefesselten, wo sie eine schräg verlaufende Strieme hinterließ. Der Mann zuckte zusammen und riss an seinen Fesseln, doch ohne einen Laut von sich zu geben. Ein zweiter Schlag zog seine Spur ein Stück daneben, der dritte wiederum eine Daumenbreite weiter. Beim vierten Hieb gab der kräftige Mann einen gurgelnden Schmerzenslaut von sich, der sich beim fünften zu einem Aufschrei steigerte. Der Auspeitscher nickte und ging zur anderen Seite, so dass die nächsten fünf Hiebe die Spuren der ersten kreuzten. Blut rann aus aufgeplatzten Hautstellen über den muskulösen, behaarten Rücken, während die Schreie des Gefesselten zu einer schrecklichen Lautfolge verschmolzen. Nach weiteren fünf Hieben wechselte der Mann mit der Peitsche erneut die Position, und Pelagia sah gepeinigt zu Daud hinüber. Sein Gesicht war hart, angespannt und seltsam erwartungsvoll, während sie selbst eine nie gekannte Mischung aus Entsetzen und Erregung empfand. Sie hatte Mitleid mit dem Gequälten, zugleich jedoch empfand sie Genugtuung, dass er für seine Taten bestraft wurde. Als die zwanzig Hiebe voll waren, erstarb langsam das Schmerzensgeheul des Schmiedes, während

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