Sie kamen bis Konstantinopel
mit dem Getränk, das sie seit Monaten entbehrt hatte. »Lass uns auf unseren Sohn trinken«, lächelte Daud sie an.
»Auf unseren Sohn«, entgegnete Pelagia zufrieden und nahm einen tiefen Schluck.
***
Die folgende Zeit war die bisher glücklichste in ihrem Leben. Daud verhielt sich rücksichtsvoll, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und schien keine Eile zu haben, wieder auf sein Schiff zu kommen. Die Audienz bei Kalif Mu'âwija war die Krönung seines bisherigen Aufstiegs, der ihn vom Ziegenhirten in Medina zum Befehlshaber eines Segelschiffs gemacht, ihm zu Reichtum und Ansehen am Hof des Beherrschers der Gläubigen verholfen hatte. Immer wieder erzählte er, wie er den Eingang des Dar al-Imara betreten hatte, den Herrscherpalast, dessen grüne Kuppel südöstlich des heiligen Bezirks die Stadt überragte. Innen, so berichtete Daud, sei der Ziegelbau relativ schmucklos, doch dafür angefüllt mit den Schätzen der eroberten Länder. Fein gewebte Teppiche bedeckten den Boden, Tische aus Ebenholz mit Verzierungen aus Perlmutt trugen persische Silberschalen, geschliffene Glasbecher, goldene Kirchenkelche und bronzene Statuen. Alle am Hof kleideten sich nur in seidene Gewänder, an den Griffen ihrer Schwerter und Dolche funkelten Rubine, der Duft frisch gestreuter Rosenblätter hing in der Luft und im Innenhof stolzierten Pfauen umher.
Daud hatte sich vor dem Kalifen auf den Boden geworfen, der auf Seidenkissen thronte und ihm gnädig gestattete, sich zu erheben, um von der geglückten Ghaziya gegen die Feinde des Glaubens zu berichten. Zuletzt hatte der Beherrscher der Gläubigen seine Rechte in einer Schale mit Goldmünzen vergraben, Daud huldvoll eine Handvoll überreicht und ihn gebeten, sich bis auf Weiteres zu seiner Verfügung zu halten.
»Was will er von dir?«, hatte Pelagia beklommen gefragt, als Daud seine Erzählung das erste Mal beendet hatte.
»Ich weiß es nicht«, hatte er mit glänzenden Augen geantwortet, »aber ich glaube, dass er etwas plant. Vielleicht einen letzten, entscheidenden Feldzug gegen das Dar al-Harb. Einen von noch nie dagewesener Kühnheit …«
Doch so sehr Pelagia auch in ihn drang, mehr wollte er dazu nicht sagen.
Die Monate vergingen, langsam wölbte sich Pelagias Bauch, und Daud achtete sehr darauf, dass sie sich nicht überanstrengte. Anfangs durfte sie noch frei durch die Straßen von Damaskus streifen, um alle Wunder der Stadt in sich aufzunehmen. Vor allem der ummauerte, innen von Säulen gesäumte heilige Bezirk hatte es ihr angetan, in dessen Mitte sich die Johanneskathedrale majestätisch erhob. Einst errichtet als heidnischer Haupttempel der Stadt, hatten ihn die siegreichen Christen vor fast drei Jahrhunderten gestürmt, die Götzenbilder zerschlagen und den Riesenbau in ihr Gotteshaus umgewandelt. Doch was Pelagia fast noch mehr faszinierte als die Pracht der Altäre, die geheimnisvollen Ikonen und die goldenen Statuen der Kirche war ein schlichter, flacher Holzbau in der südöstlichen Ecke des Tempelbezirks. Die Sarazenen sagten Masdjid dazu und trafen sich dort fünfmal am Tag zum Gebet. Zumindest, wenn sie in der Nähe waren, denn ihr seltsamer Glaube verlangte die Anwesenheit in der Masdjid nur einmal pro Woche, am Freitag zum Mittagsgebet. Mehrfach hatte Pelagia ihren Herrn dorthin begleitet und, stumm an eine Säule gelehnt, aus der Ferne beobachtet, wie die Gläubigen herbeiströmten. Früher, so hatte Daud ihr berichtet, in den ersten Jahren nach der Eroberung, waren es nur wenige Hundert gewesen, die dem Singsang des Muezzins von dem nahe gelegenen Eckturm des Tempelbezirks Folge geleistet hatten. Doch als immer mehr Sarazenen nach Damaskus gezogen waren, hatte die Menge rasch Abertausende gezählt. Bald hatte sie keinen Platz mehr unter dem Holzdach gefunden, sondern war darüber hinausgewachsen, bis sie den ganzen südöstlichen Teil des heiligen Bezirks erfüllte, ja selbst die Johanneskathedrale umfloss. Am Südrand der Masdjid, an der Mauer, die nach Mekka zeigte, hing noch immer das blutbefleckte Gewand des ermordeten Kalifen Uthman, das Mu'âwija, der bei dessen Ermordung Statthalter von Damaskus gewesen war, dort hatte aufhängen lassen. Anschließend war er in den Krieg gezogen, um den Tod seines Verwandten zu rächen – in einen Machtkampf, an dessen Ende sein Rivale Ali tot und er Beherrscher der Gläubigen war.
Oft nahm Mu'âwija am Freitagmittag, in ein weißes Gewand gekleidet, am gemeinsamen Gebet teil. Seitdem er bei einem
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