Sie kamen bis Konstantinopel
der Auspeitscher mit zufriedener Miene zu der hölzernen Reling ging, um die blutverschmierte Peitschenschnur in einem der dort stehenden Eimer zu säubern.
Zwei Männer banden den Schmied los, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, fesselten seine Hände und führten den Schwankenden in Richtung der Wassereimer, um ihm das Blut vom Rücken zu waschen. Plötzlich hob der Mann den Kopf, gewahrte den Auspeitscher, riss sich mit unerwarteter Kraft los und stürzte zur Reling. Bevor sein Peiniger es sich versah, prallte der schwere Körper auf ihn, der Auspeitscher wurde gegen die Reling gedrückt. Er kippte nach hinten, beide Männer stürzten über Bord und landeten mit lautem Platschen im Meer.
Wildes Stimmengewirr hallte übers Deck, einige Seeleute rannten zur Reling und starrten ins Wasser, während andere Daud fragten, ob der Befehl zum Beidrehen und Aussetzen eines Beibootes gegeben werden sollte. Doch der schüttelte nur den Kopf. »Kurs beibehalten«, fuhr er sie an, »keiner von beiden ist es wert, seinetwegen unseren Platz an der Spitze der Flotte zu verlieren.«
Langsam legte sich die Aufregung. Offenbar empfand niemand Sympathie für die über Bord gegangenen, so dass bald wieder die übliche Routine auf dem Schiff einkehrte. Nur Pelagia ging das Gesehene lange nicht aus dem Kopf. Da der Arzt gemeint hatte, dass ihre Wunde jetzt weitgehend geheilt sei, begann sie, auf Urso gestützt, auf dem Deck herumzugehen. Doch zu ihrem Entsetzen war der Fuß anders als zuvor. Eine dicke Narbe war geblieben, die sie nicht richtig auftreten ließ, so dass sie trotz aller Mühe ein leichtes Humpeln nicht unterdrücken konnte. Immer wieder versuchte sie es – ohne Erfolg. Als ihr bewusst wurde, dass sie wohl für immer hinken würde, brach sie verzweifelt in Tränen aus. Urso versuchte vergeblich, sie zu trösten, sie schluchzte laut, ohne darauf zu achten, dass sie die anderen auf dem Schiff anglotzten.
Plötzlich hörte sie Dauds besorgte Stimme. »Was ist los?«
Pelagia wischte sich die tränenverschmierten Augen. »Ich hinke. Ich werde … nie mehr richtig gehen können. Ich bin ein Krüppel!« Die letzten Worte schrie sie fast, so dass der Befehlshaber zurückzuckte.
Doch dann begann er zu strahlen, legte die Handflächen aneinander und verbeugte sich leicht. »Allah sei gepriesen!«
»Wofür das?«, fragte sie, zu verblüfft, um wütend zu sein.
»Du musst wissen, dass von aller Beute, die wir bei den Ungläubigen machen, ein Fünftel dem Beherrscher der Gläubigen zusteht.« Seine Hand umschrieb das Dutzend Segelschiffe. »Von allen Schätzen, die diese Schiffe im Bauch tragen, ebenso wie von den gefangenen Nasrani. In Alexandria wird Abdallah Ibn Kais, der Admiral der Flotte, die Auswahl treffen. Er ist klug, er will sich in Damaskus bei unserem Kalifen Mu'âwija beliebt machen. Darum schickt er ihm von den Sklavinnen stets die vollkommensten Schönheiten für den Harem. Du bist wunderschön. Aber als Hinkende – nein, das wäre unmöglich. Der Kalif würde sich verhöhnt vorkommen. Also wirst du meine Sklavin sein. Denn ich werde aus der Beute dich wählen!«
Mit diesen Worten verließ er Pelagia, die Urso verstört ansah.
»Sei doch froh«, murmelte dieser verlegen. »Der Mann begehrt dich, er wird dich gut behandeln. Ungleich besser, als auf dem Sklavenmarkt verschachert zu werden, oder?«
Pelagia überlegte kurz, dann nickte sie versonnen. »Da hast du vielleicht Recht. Und ich werde ihn bitten, auch dich zu nehmen, so dass wir zusammenbleiben können.«
Am Abend des gleichen Tages wuchs vor ihnen ein hoher, mehrstöckiger Marmorturm in den Himmel, auf dem eine weithin sichtbare Flamme loderte. Bald darauf ankerten sie im Hafen von Alexandria, dem Ziel ihrer Reise.
Kapitel 9
Am Hofe des Kalifen
(669-671 n. Chr.)
»Im Namen Allahs, des Allerbarmers. Folgendes sichert Chalid Ihn al-Walid den Einwohnern von Damaskus zu, wenn er die Stadt betritt: Er verspricht ihnen Sicherheit für ihr Leben, Eigentum und ihre Kirchen. Die Stadtmauer wird nicht zerstört werden, und kein Moslem wird in ihren Häusern Quartier beziehen. Wir befehlen sie dem Bunde Allahs und dem Schutz des Propheten, des Kalifen und der Gläubigen. Solange sie volle Kopfsteuer zahlen, wird ihnen nur Gutes widerfahren.«
Vereinbarung zwischen den Einwohnern von Damaskus und dem arabischen Eroberer
Die Hitze lastete auf dem Land. So drückend war sie, dass auch der sanfte Wind keine Linderung brachte. Selbst das Wasser in
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