Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
Vom Netzwerk:
nicht fromm genug, also für ungeeignet. Deshalb versuchten sie am selben Tag, beide mit vergifteten Schwertern zu ermorden. Bei Ali gelang es ihnen, aber Mu'âwija wurde nur verletzt und sein Arzt konnte ihn retten. So kam es, dass er übrig blieb und als Kalif anerkannt wurde. Aber Ali hatte einen Sohn namens Hassan, der Ansprüche erhob. Rate mal, was unser Herrscher tat?«
    »Ihm Gift schicken, vermute ich …«
    »Falsch! Erst wenn weder Geduld, Güte noch Geld ihre Wirkung getan hätten. Aber siehe da – das Geld wirkte. Gegen fünf Millionen Dirham und eine üppige Rente verzichtete Hassan auf seine Ansprüche auf das Kalifat. Er zog nach Medina, wo er sich solange mit seinem Harem vergnügte, bis ihn eines seiner Weiber aus Eifersucht vergiftete. Darum regiert nun der Fähigste, nämlich Mu'âwija, als fünfter Kalif unser Reich.«
    »Womit nun alle glücklich und zufrieden wären«, ergänzte Pelagia mit ironischem Unterton.
    Daud sah sie misstrauisch an, dann widersprach er. »Nein, leider wühlen die Schiiten, also die Partei Alis, nach wie vor im Untergrund. Es gibt da noch einen jüngeren Sohn Alis namens Hussein. Aber der Beherrscher der Gläubigen ist wachsam und bereit, jederzeit mit eiserner Faust zuzuschlagen. Darum lebt er noch«, ergänzte er langsam, »wie ich dir vorhin zu erklären versucht habe.«
    Pelagia nickte unwillig. »Aber hattest du nicht auch etwas von Toleranz gesagt?«
    »Ja, hatte ich«, stimmte Daud ihr zu. »An seinem Hof sind Nasrani und Muslime gleichermaßen willkommen. Sein Leibarzt Ibn-Uthal gehört deiner Religion an, ebenso sein Finanzminister Sergios Ibn Mansur, und sein Hofdichter al-Akthal läuft selbst im Kalifenpalast mit einem Kreuz um den Hals herum. Was die Strenge im Glauben betrifft, so scheint er mir gelegentlich eher zu nachlässig für einen Kalifen.«
    »Wieso das?«
    »Neulich, als einige Würdenträger, darunter auch ich, mit dem Kalifen in seinem privaten Bad weilten …«, hier machte Daud eine Pause, um die Bedeutung seiner Worte wirken zu lassen, »da sah ich mir die Wände an. Und was glaubst du, was für Darstellungen die Räume schmückten?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich bade nicht mit dem Kalifen!«
    »Fresken von Musikantinnen, nackten Tänzerinnen, ja sogar eine heidnische Göttin mit einer Schlange um den Hals war da zu sehen. Außerdem schätzt Mu'âwija Wein und Gesang.«
    »Was ich ihm nicht verdenken kann«, schmunzelte Pelagia, »das liebe ich ebenfalls.«
    Zunächst sah Daud sie missbilligend an, als erwarte er von seiner zukünftigen Frau mehr Sittenstrenge, dann lächelte er. »Ich selbst trinke keinen Wein, aber die Musik gefällt mir – auch wenn manche frommen Eiferer sie verdammen. Neulich hatte der Kalif einen Lautenspieler, der im Hintergrund wunderschön sang. Einen Augenblick, vielleicht bekomme ich die Melodie noch zusammen.« Daud schwieg mit gefurchter Stirn, bevor er leise zu singen begann.
    »Feinde – wer schert sich darum,
ich lebe in meinen Tagen!
Schöne Frauen, gleich Statuen, Sklaven
Und Rosse, damit zu jagen …«
    Daud verstummte und Pelagia legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ein schönes Lied«, sagte sie leise. »Vielleicht lerne ich den Kalifen eines Tages kennen?«
    »Vielleicht«, antwortete Daud und umarmte sie.
    ***
    Einen Monat später setzten an einem schwülen Spätsommerabend die Wehen ein. Wieder war Maria, die Hebamme, schnell zur Stelle. Doch wenn Pelagia gehofft haben sollte, dass bei der zweiten Geburt alles leichter sein würde, so hatte sie sich getäuscht. Ihr Körper verkrampfte sich, wie eine wilde Brandung durchfluteten sie die Schmerzen. Dann wieder lag sie still und wartete voll Angst auf die nächsten Wehen. Stunde um Stunde verging. Stunden, in denen Pelagia immer schwächer wurde, Stunden, in denen das Kind sich der Welt zu verweigern schien, Stunden, in denen Maria und Helena der werdenden Mutter immer wieder zwischen die gespreizten Beine griffen. Doch allen Bemühungen, dem werdenden Leben bei seinem Versuch zu helfen, ans Licht zu kommen, schien der Erfolg versagt zu bleiben. Erst ganz zum Schluss, der Morgen graute schon, rief Maria etwas, das Pelagia nicht mehr verstand, so schwach war sie inzwischen. Sie spürte noch die Hände der Frauen, hörte ihre Rufe, dann umfing sie eine gnädige Ohnmacht.
    Als sie wieder erwachte, war alles ruhig um sie herum. Die flachen Strahlen der Morgensonne erleuchteten das Zimmer und ließen die bunt bemalten Wandschränke erglänzen,

Weitere Kostenlose Bücher