Sie kamen bis Konstantinopel
eingezogen ist. Dort fiel ihm der Schatz des Perserkönigs in die Hände. Aber wie so vielen Männern reichte ihm ein Sieg nicht. Der Ehrgeiz trieb ihn immer weiter, um die Welt zu erobern. Am Ende starb er, kaum älter als du heute bist, und sein Reich zerfiel.«
»Danke für die Belehrung. Meinst du, ich habe noch nie vom großen Iskender gehört?«, spottete Daud, »nur weil ich als dreckiger kleiner Araberjunge aufgewachsen bin? Meine Mutter hat mir oft Geschichten von ihm erzählt. Und unter dem Namen Dhulkarnein, der Doppelgehörnte, wird er sogar im Koran erwähnt.« Er nahm ihre Hand. »Ich weiß auch, dass Iskender bis Indien kam, dass er Perser und Griechen versöhnte. In Alexandria habe ich an seinem Grab gestanden.« Daud blickte in die Flammen der Öllampen. »Noch heute wird sein Name an allen Lagerfeuern mit Ehrfurcht genannt. Was kann man Höheres erstreben? Aber eine Frau wird das wohl nie verstehen …«
»Entschuldige, ich wollte nicht überheblich sein«, murmelte Pelagia.
»Möchtest du dir gerne mehr Bücher kaufen?«, wechselte Daud überraschend das Thema. »Hier, nimm.« Er reichte ihr einen kleinen Lederbeutel. »Da sind zehn Dinare drin.«
Zunächst lag Pelagia die Frage auf der Zunge, ob er sie damit beschäftigt wissen wolle, um sich in Ruhe Layla widmen zu können. Doch gerade noch rechtzeitig schluckte sie die bittere Bemerkung herunter.
»Danke, das ist sehr großzügig. Willst du dich nicht etwas zu mir setzen? Oder legen? Ich habe dich vermisst.«
Daud drückte ihre Hand. »Ja gerne. Auch du hast mir gefehlt.«
Doch als sich diesen Abend liebten, hatte Pelagia das Gefühl, dass Daud sich nicht so bewegte wie sonst. Ganz so, als habe eine andere Frau ihn andere Dinge gelehrt.
***
In den folgenden Monaten, als die Sonne immer stärker auf die Stadt herabbrannte, führte Pelagia ein seltsames Dasein. Jeden zweiten oder dritten Abend empfing sie Daud, doch ohne zu fragen, wo er die anderen Nächte verbrachte. Dazwischen versuchte sie, möglichst viel über ihre Rivalin in Erfahrung zu bringen – denn dass Layla das war, daran zweifelte sie nicht. Das Mädchen hatte helle Haut und dunkelblonde Haare. Schlank war sie, mit breiten Hüften und üppigem Busen, wie Pelagia mit stillem Neid feststellte, als sie sich zum ersten Mal im Bad des Hauses begegneten. Sie sprach zwar weder Griechisch noch Latein, doch da Pelagia inzwischen Arabisch leidlich beherrschte, konnten sie sich verständigen. So erfuhr sie, dass Laylas Eltern einem der wilden Stämme angehörten, die vor einem Menschenalter die Donaugrenze überquert und sich trotz aller kaiserlicher Gegenwehr in den Provinzen südlich des Flusses festgesetzt hatten. Heidnische Barbaren mit einer unverständlichen Sprache, die Pelagia hässlich und hart fand, voller Konsonanten und Zischlaute, als Layla einmal auf ihre Bitten hin einige Sätze sagte.
Immer wieder war Pelagia versucht, Daud zur Rede zu stellen, ihn herauszufordern, um zu sehen, wie er reagieren würde. Doch Helenas Rat hielt sie davon ab, so dass sie an den einsamen Abenden lieber Trost im Wein suchte und oft am nächsten Morgen mit schwerem Kopf erwachte.
Jeden Freitag ließ sich Layla in ihrer Sänfte demonstrativ zur Masdjid tragen, wo ein abgetrennter Bereich den Frauen vorbehalten war. Pelagia ärgerte sich über diese weitere Gemeinsamkeit zwischen dem Mädchen und Daud. Doch ihr Trotz verbot es ihr, den gleichen Schritt zu tun, ja trieb sie sogar zum Widerstand. Eine Weile zögerte sie, bis sie eines Morgens Helena fragte, in welche Kirche sie am Sonntag ginge.
»In die Johanneskathedrale«, antworte die Dienerin, »zu den Chalkedoniern.«
»Zu wem?«, fragte Pelagia erstaunt, die sich an Ursos Bemerkung erinnerte. »Sind das die gleichen wie die Melkiten?«
»Ja. Wir bekennen uns zu den Beschlüssen des Konzils von Chalkedon. Melkiten nennen uns die Sarazenen, weil unsere Kirche dieselbe ist wie die des Kaisers in Konstantinopel. Der heißt bei ihnen Malik, König, und so sind wir eben die Melkiten«, lachte Helena, »im Unterschied zu den Nestorianern und den Monophysiten, die sich heftig mit unseren Priestern um den rechten Glauben streiten. Was wohl Jesus dazu gesagt hätte?«
Pelagia überlegte kurz. Von den Zänkereien der christlichen Bekenntnisse hatte sie schon oft gehört, ohne sich jedoch ernsthaft dafür zu interessieren. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Weißt du, welcher Richtung Sergios anhängt?«
»Er ist Nestorianer«, antwortete
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