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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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gehört«, berichtete diese eines Tages, »dass die Sarazenen wieder plündernd in Africa eingefallen sind? Diesmal wollen sie wohl die Provinz erobern«, fügte sie bedrückt hinzu, »sie haben dort sogar schon eine Stadt gegründet, Kairouan heißt sie.«
    Pelagia musste an ihre Familie denken, die sie vor sieben Jahren verlassen hatte. Ob ihr Vater noch lebte, der sie trotz aller Sorgen stets verwöhnt hatte? Und ihre fromme Mutter, die für jede Lebenslage einen guten Ratschlag bereitgehalten hatte? Oder war ihr Haus nur noch eine rauchgeschwärzte Ruine?
    »Haben sie auch Karthago gestürmt?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    »Nein, nicht das ich wüsste. Aber sie werden es sicher versuchen«, entgegnete Helena mit einem Seufzer.
    »Hoffentlich holen sie sich eine blutige Nase!«, entfuhr es Pelagia, doch sogleich verstummte sie betroffen. In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich im Innersten ihres Herzens nach wie vor als gefangene Römerin fühlte – nicht als die Frau eines siegreichen Sarazenen.
    ***
    Wieder verging der Winter, der diesmal sogar Schnee brachte, wieder kam das Frühjahr. Die Tage wurden wärmer, die Oleander im Hof schmückten sich mit ihren rosa Blüten und Fatima plapperte eifrig in ihrer Kindersprache. Pelagia war alles, was mit ihrem Körper geschah, jetzt schon so vertraut, dass sie keine Angst mehr hatte und sich sogar auf die Geburt freute. Daud saß oft bei ihr, beschrieb seine Besuche im Palast des Beherrschers der Gläubigen und ließ einfließen, dass dieser immer mehr Wert auf seinen Rat zu legen schien.
    »Wie ist der Kalif«, fragte Pelagia ihn eines Abends, »was ist er für ein Mensch?« Sie hatte beschlossen, sich innerlich zu ihrem Mann und zu ihrem neuen Leben zu bekennen, anstatt ihrer Vergangenheit nachzutrauern. Vielleicht würde sie sogar, wenn sie erst Dauds Frau war, seinen Glauben annehmen können. Warum auch nicht, dachte sie, wenn selbst manche christliche Priester meinten, dass der Glaube der Hagarener, wie sie die Anhänger der siegreichen Religion nannten, auch nichts anderes sei als eine andere Interpretation der gleichen göttlichen Gebote?
    »Mu'âwija ist ein überaus fähiger Herrscher«, meinte Daud, »der ebenso zu handeln wie abzuwarten versteht. Man munkelt, seine Herrschaft gründe sich auf fünf Säulen.«
    »Auf welche?«, erkundigte sich Pelagia neugierig.
    »Güte, Geduld, Geld und Gift«, antwortete Daud, »sowie als letztes Mittel Gewalt. Aber nur, wenn es nicht anders geht.« Er lächelte über ihren verblüfften Gesichtsausdruck. »Ja, er ist ein aufgeschlossener und toleranter Mann.«
    »Mit Gift und Gewalt?«, entfuhr es Pelagia, die sich sogleich erschrocken die Hand vor den Mund hielt.
    Doch Daud lachte nur kopfschüttelnd. »Ein Herrscher, meine Gazelle, der seine Machtmittel nicht einzusetzen weiß, hat sein Todesurteil unterschrieben. So wie Ali, der Schwiegersohn Mohammeds, gepriesen werde sein Name.«
    »Was war mit ihm?«, wollte sie wissen, denn der Name war schon oft gefallen, wenn auch immer mit einem seltsamen Unterton. »War er nicht Mu'âwijas Vorgänger?«
    »Ja, er wurde nach der Ermordung des dritten Kalifen Uthman in Medina zum Beherrscher der Gläubigen ausgerufen. Aber da Uthman ein Verwandter Mu'âwijas war, und Ali keinen Versuch unternahm, die Mörder zu bestrafen, weigerte sich Mu'âwija, der damals Statthalter in Damaskus war, Ali anzuerkennen. Es kam zu einer Schlacht, die Ali schon fast gewonnen hatte. Da ließ unser schlauer Statthalter Koranverse an die Lanzen seiner Soldaten binden und verkünden, Muslime sollten nicht gegeneinander kämpfen.«
    »Womit er doch Recht hatte, oder?«
    »Ja, obwohl ihm das reichlich spät einfiel«, pflichtete Daud ihr bei. »Der arglose Ali stimmte jedenfalls einem Waffenstillstand zu, worauf sich beide darauf einigten, die Angelegenheit einem Schiedsgericht aus frommen Männern vorzulegen. Aber bis zu dessen Einberufung verging Zeit, und innerhalb der Schiat Ali, wie die Partei seiner Anhänger genannt wurde, gärte es. Eine besonders radikale Gruppe zog aus und proklamierte, nur der Frömmste dürfe Kalif werden, und sei es ein abessinischer Sklave. Da diese Charidschiten, wie sie genannt wurden …«
    »Warte! Mir schwirrt schon der Kopf vor lauter Namen«, stöhnte Pelagia.
    »Charidschiten bedeutet ›Auszügler‹, meine Gazelle. Du willst doch Arabisch lernen, oder?«, entgegnete Daud nachsichtig. »Nun, diese Fanatiker hielten beide Kontrahenten für

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