Sie kamen bis Konstantinopel
Abendgebet in die Masdjid waren, verdrehten erstaunt die Köpfe, als sie die verschleierte Frau aus der Sänfte steigen und mit einem Kind im Arm in die Kirche hinken sahen. Innen blickte sich Pelagia wie ein gehetztes Tier um, verwirrt von der Dunkelheit, in der zahllose Kerzen und Öllampen flackerten.
»Ist hier wer?«, schrie sie, dass es in dem Riesenraum widerhallte. »Hört mich denn niemand? Hilfe!«
Ein alter Diakon erhob sich von einem Hocker, schlurfte heran, musterte Pelagias Kleidung und schüttelte missbilligend den Kopf. »Junge Frau, die Sarazenen versammeln sich …«
»Ich bin Christin, das ist meine Tochter«, fiel ihm Pelagia weinend ins Wort. »Sie ist schwer krank, sie muss sofort getauft werden!«
»Ja, oh Gott, natürlich …«, der alte Mann hastete zum Ausgang, wo er sich nochmals umwandte. »Aber es kann etwas dauern. Gerade ist kein Priester hier. Betet derweil zum heiligen Johannes. Da hinten führt die Treppe zu dem Gewölbe mit seiner Reliquie!«
Pelagia nickte, stieg die Stufen hinab und kniete sich vor dem reichverzierten Schrein mit dem Kopf des Täufers auf den Boden. Die Kleine in ihrem Arm atmete nur noch schwach, der Mund stand offen und gelegentlich stöhnte sie leise. Ihr Leben verrann, niemand würde sie mehr retten. Aber vielleicht, daran klammerte sich Pelagia, die Zeit ihres Lebens nie gläubig gewesen war, vielleicht konnte sie wenigstens noch etwas für sie tun, indem sie sie taufen ließ. Wo nur der Priester blieb? Fieberhaft murmelte sie alle Gebete, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte, während die feuchte Kühle des Gewölbes sie erschauern ließ. Wie in einer Gruft, durchfuhr es sie, aber noch ist sie nicht tot, noch lebt meine Tochter. Sie rüttelte das Kind, das plötzlich die Augen öffnete. »Mama«, flüsterte Fatima und lächelte schwach, bevor sich ihr Gesicht wieder vor Schmerzen verzog.
Da eilten Schritte die Treppe herunter. »Schnell, kommt hoch!«
Pelagia sprang auf und folgte dem jungen Priester, der ihr das Kind abnahm und dabei Unverständliches murmelte. In einer Ecke neben dem Hauptaltar stand ein Baldachin, von vier Säulen getragen, unter dem sich ein kreuzförmiges Becken befand, zu dem Stufen hinabführten. Der Priester schritt mit dem Mädchen hinunter, entkleidete es und sagte mit klarer Stimme: »Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes«, wobei er jedes Mal den kleinen Körper in das dunkel schimmernde Wasser tauchte. Fatima weinte, doch beruhigte sie sich schnell, als ihre Mutter sie mit einem Tuch abtrocknete, das ihr der Priester reichte, und sie an ihre Brust drückte. Pelagia bedankte sich, lief zum Ausgang und winkte ihre Sänfte herbei. Als sie zu Hause Fatima in ihr Bettchen legen wollte, gab die Kleine kein Lebenszeichen mehr von sich.
***
Anfangs war Pelagia wie versteinert. Stundenlang hielt sie den reglosen Körper im Arm, sprach mit ihrer Tochter und wiegte sie, als sei sie nur eingeschlummert. Erst nach Mitternacht begann sie zu schluchzen, immer lauter, bis ihre Schreie durch das Haus hallten. Alle Diener liefen erschrocken zusammen, Layla ließ sich nicht blicken, doch auf einmal stand Schirin in der Türe. Ihre Haare waren vom Schlaf zerzaust und das sonst stets beherrschte Gesicht hatte seine Strenge verloren. Stumm setzte sie sich neben Pelagia, legte den Arm um sie und begann, leise zu weinen. So saßen die Frauen, bis Schirin zu sprechen begann. »Weißt du noch, wie Fatima ihre erste Puppe bekam?« Pelagia lächelte und beide verloren sich in ihren Erinnerungen, bis die ersten Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen. Da löste sich Schirin, stand auf und sah Pelagias Halskette an.
»Darf ich?«
Als Pelagia nickte, nahm sie das Rollsiegel in die Hand und betrachtete es lange. »Woher hast du das?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Eine ferne Vorfahrin von mir bekam es einmal von dem Mann, den sie liebte, in Babylon geschenkt. Ihr Vater war ein palmyrenischer Kaufmann, dessen Eltern aus Persien stammten. Das muss jetzt vier Jahrhunderte her sein. Warum interessiert es dich?«
»Weil ich selbst aus der Gegend komme. In meiner Jugend, bevor mich die siegreichen Araber als Kriegsbeute verschleppten, habe ich in Ktesiphon gewohnt. Da gab es viele Gebäude, die aus Ziegeln erbaut waren, die die gleichen merkwürdigen Zeichen trugen. Diese heidnische Schrift, die heute niemand mehr zu lesen vermag.«
Auf diese Weise entstand in dieser Nacht der Trauer eine Freundschaft zwischen den
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