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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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weg aus diesem Haus, in dem sie nichts mehr hielt. Lange schon dachte sie darüber nach, und an diesem Abend begann ein Gedanke Gestalt anzunehmen. Ein verzweifelter Plan, bei dem sie Verbündete brauchen würde. Urso – und Helena?
    Sie sah ihre Dienerin prüfend an, die auf einem Hocker sitzend darauf wartete, dass ihre Herrin aus dem Wasser steigen würde. Sie hatte ihre Größe, war nur etwas fülliger. Konnte sie ihr vertrauen? Sie musste es wagen.
    Zurück in ihrem Zimmer ließ sie sich Fladenbrot, Kichererbsenbrei und einen großen Teller frischer Feigen kommen, von denen sie auch Helena anbot. Anschließend vergewisserte sie sich, dass draußen nicht Sergios herumschlich, und ging zum Wandschrank. Nachdenklich betrachtete sie den Schmuck, der einst ihr ganzer Stolz gewesen war, bevor sie das Goldarmband mit den Tauben herausnahm und es Helena hinhielt.
    »Würdest du das gerne tragen?« Unsicher schaute die Dienerin sie an, nickte schließlich stumm.
    »Gut. Wenn du mir hilfst, schenke ich es dir!«
    »Danke, Herrin, danke! Aber was … was muss ich dafür tun?«
    »Etwas anfertigen lassen, einige Pfund abnehmen, mir etwas beibringen, selbst etwas lernen und zuletzt kaltblütig handeln.« Pelagia ging zu der Türe, die den Vorraum ihres Zimmers vom Gang trennte. Als Layla eingezogen war, hatte sie darauf bestanden, ihren Teil des Harams abschließen zu können. Jetzt zog sie den Schlüssel heraus, formte ihn sorgfältig in Wachs ab und reichte den Abdruck zusammen mit einem kleineren, den sie aus ihrem Wandschrank nahm, der fassungslos dreinblickenden Dienerin. »Als erstes suche den besten Kupferschmied der Stadt. Ich brauche zwei perfekt nachgearbeitete Schlüssel.« Dann erklärte sie mit gesenkter Stimme ihren Plan.
    ***
    Am nächsten Sonntag wohnte Pelagia dem Gottesdienst bei, ohne ihren dunklen Schleier abzulegen. Als der Diakon sie im Anschluss darauf ansprach, erklärte sie, es läge an einer Augenentzündung. Zu dem roten Tuch, das sie um den Hals geschlungen trug, und dem goldenen Armreif, der an ihrem Handgelenk glänzte, sagte er nichts.
    Pelagia sah sich um. Sie konnte Urso nicht entdecken, vertraute aber darauf, dass ihm alles zugetragen werden würde. Sie ging zu dem Nubier, der am Eingang wartete, und erklärte ihm, er müsse sich noch einen Augenblick gedulden, da sie gemeinsam mit Helena an der Reliquie des Kopfes von Johannes beten wolle. Der Mann nickte nur, war der Täufer doch auch den Muslimen heilig. Er beobachtete, wie die beiden Frauen die Treppe zum Gewölbe herunterstiegen, bald darauf jedoch wieder auftauchten. Pelagia nahm die Sänfte nach Hause, während Helena in der Menge verschwand, nachdem ihre Herrin sie gut verständlich beauftragt hatte, bei den Kupferschmieden nach einer dreiflammigen Öllampe zu suchen.
    Nachdem sie abends noch länger mit Helena geredet hatte, schloss Pelagia sich in ihrem Zimmer ein. Sie habe Angst, erklärte sie dem verdutzten Sergios durch die Türe, denn in einem immer wiederkehrenden Albtraum habe sie ein Dämon verschleppen wollen.
    Die folgende Woche geschah nichts Besonderes und Pelagia erschien am Sonntag im gleichen Aufzug wie zuvor in der Kathedrale. Diesmal erregte sie kein Aufsehen mehr, sah jedoch plötzlich Urso auf der Seite der Männer stehen, der ihr verstohlen zuwinkte. Wieder ging sie mit Helena in das Gewölbe zum Beten hinab, wieder schickte sie die Dienerin mit einer Besorgung in den Suk, wieder ließ sie sich mit der Sänfte nach Hause tragen, wieder versperrte sie abends die Türe hinter sich.
    Zwei Tage später brachte ein Bote eine seltsame Gabe: Einen aus Weidenruten geflochtenen Käfig, in dem eine Taube gurrte.
    Stirnrunzelnd öffnete Sergios das Begleitschreiben, um darin voll Erstaunen zu lesen, dass der Bischof der Johanneskathedrale – ein irrgläubiger Chalkedonier, wie er als Nestorianer voll Abscheu anmerkte – diesen Vogel als Gabe christlichen Trostes sandte. Kopfschüttelnd ließ er das Geschenk in Pelagias Zimmer bringen, die es verwundert betrachtete, bis sie den Zusatz fand: Geschrieben von Gottes Diener, dem Sekretarius Urso.
    Lächelnd betrachtete sie den grauen Vogel. Tauben, darüber hatten sie einmal gesprochen, kehrten stets in ihren Schlag zurück. Offenbar hatte Urso den Nubier bemerkt und ihr so die Möglichkeit geben wollen, ihm eine Botschaft zu schicken. Eine einzige nur, also musste sie sorgsam vorgehen.
    Sie ging zum Wandschrank, dem sie ein kleines Seidentuch entnahm, aus dem ihr ein

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