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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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einige Blätter mit Landkarten zur Seite und hörte mit steinernem Gesicht zu, bis sie ihn zuletzt bat: »Deshalb flehe ich dich an, mich gehen zu lassen.«
    Doch seine Antwort war anders, als sie gehofft hatte. »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Ich hätte dir vielleicht, ja sogar wahrscheinlich die Freiheit geschenkt, wenn du mich nicht so hintergangen hättest.« Er sah sie scharf an. »Du weißt, was ich sagen will. Meine Tochter, das Kind eines Muslims, taufen zu lassen – welch schreckliche Schande!«
    »Aber das weiß doch niemand außer uns!«
    »Doch, Allah weiß es! Ich muss jeden Tag daran denken, wenn ich einen von euch Nasrani sehe.« Nun war sein Gesichtsausdruck hart. »Du hast mich getäuscht und zutiefst enttäuscht. Jetzt wirst du lernen, zu bereuen. Du wirst dich bedingungslos meiner Macht unterwerfen. Vielleicht kann ich dir später einmal verzeihen, dir deinen Wunsch gewähren. Wenn Allah sich gnädig zeigt. Wenn den Gläubigen das große Werk gelungen ist.«
    »Welches große Werk?«, fragte Pelagia, obwohl sie die Antwort ahnte.
    »Die Eroberung von Konstantinija!«

Kapitel 11
    Zum Goldenen Horn
(673 n. Chr.)
    »Es ist zweifellos die Hauptstadt des Römischen Reiches, auf allen Seiten vom Meer umgeben, ausgenommen die Nordseite. Die kaiserliche Stadt, von einer großen Ringmauer in einer Länge von 12.000 Schritt umschlossen, hat entsprechend der Lage des Meeres Mauervorsprünge, an der Seeküste entlang errichtet, und Mauern, die durch zahlreiche Türme befestigt sind; innerhalb der Stadtmauern zahlreiche Häuser, von denen sich sehr viele als steinerne Bauten von wunderbarer Größe nach Art der Wohnhäuser Roms erheben.«
    Der Pilger Arculf um 670 über Konstantinopel
    Der Schrei schien aus großer Entfernung zu kommen. Zuerst drang er nur leise in Pelagias Bewusstsein, doch diese Stimme hätte sie auch aus dem tiefsten Schlaf gerissen. Sie sah sich um. Die Wände ihres Zimmers waren mit Ikonen bedeckt, aus jeder blickte sie ein Heiliger an, vor dem eine Kerze brannte. Es mussten Dutzende von Flämmchen sein. Als der Hilferuf erneut zu hören war, flackerten sie wie von einem Windhauch getrieben.
    »Mama!« Nun war die Stimme schon stärker, klarer, und sie wusste, dass es nur Fatima sein konnte. Sie sprang auf und lief zur Türe – umsonst. Der geschmiedete Eisenriegel, der sie am Fliehen hindern sollte, dröhnte unter dem Gehämmer ihrer Fäuste, gab jedoch um keine Haaresbreite nach. Sie rannte zum Fenster und rüttelte vergeblich an dem gezackten Eisengitter, durch das der runde Mond in ihr Gefängnis blickte.
    »Mama!« Noch näher, drängender, angstvoller klang jetzt der Ruf. Wie ein Tier in der Falle irrte Pelagia durch den Raum. Mit zunehmendem Entsetzen nahm sie die Augen der mitleidlosen Heiligen wahr, deren entrückte Mienen ihr Elend zu verhöhnen schienen, als sei ihr Leid klein, unbedeutend verglichen mit den Leiden, die diese im Namen Jesu auf sich genommen hatten.
    »Mama!« Schwächer, verzweifelter schon. Da, der Wandschrank! Sie riss die Türe auf, fegte den Inhalt zu Boden, klopfte an die Rückwand. Hohl! Sie legte ihr Ohr dagegen. Vernahm die Stimme jetzt wieder klarer, die sich weinend, flehend, hilflos anhörte. Sie sah sich im Zimmer nach etwas Hartem um. Der Seeigel! Er war viel größer, als sie es in Erinnerung hatte, und viel schwerer. Sie hob den Stein vom Boden auf, schlug damit gegen die Rückwand, hörte die Bretter splittern, riss die Reste weg, blickte in einen düsteren Abgrund. Auf dem Grund sah sie Patricius, die Arme ausgebreitet. War dort auch ihr Kind?
    »Mama!« Jetzt klang es weiter entfernt, verzagt.
    »Fatima, ich komme!«, schrie sie und stürzte sich hinab.
    »Herrin, was habt Ihr?«
    Verwirrt schlug Pelagia die Augen auf und sah in Helenas besorgtes Gesicht.
    »Fatima?«, flüsterte sie und wusste nicht, ob sie froh oder traurig darüber sein sollte, dem Albtraum entrissen worden zu sein.
    Ihre Dienerin schüttelte stumm den Kopf und reichte ihr ein Glas Granatapfelsaft. »Trinkt«, sagte sie leise, »dann begleite ich Euch ins Bad.«
    Pelagia nickte, stand auf und folgte Helena. Während sie sich im warmen Wasser ausstreckte, dachte sie darüber nach, was der Traum bedeuten sollte. Auch ohne Riegel und Gitter war sie nun Dauds Gefangene. Immer, wenn sie aus der Türe trat, begleitete sie ein nubischer Sklave seiner Leibwache – selbst bis in die Johanneskathedrale. Er zeigte seine Macht, sie war ihm ausgeliefert.
    Sie musste

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