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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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hat. Gebt ihr reichlich zu trinken und«, so setzte er nach kurzem Zögern hinzu, »ruft mich sofort, wenn sich etwas an ihrem Befinden ändern sollte.«
    Dankbar entlohnte ihn Pelagia und lief zu Daud, der jedoch, wie der Stallknecht berichtete, unerwartet weggeritten war. Den Tag verbrachte sie mit Fatima, die noch sehr schwach war, herzte sie, erzählte ihr Geschichten und fütterte sie mit Datteln in Honig. Dem Mädchen ging es besser, obwohl das Fieber nicht weichen wollte, sodass sie völlig verausgabt einschlief. Diese Nacht verlief ruhig, bis Pelagia am nächsten Morgen durch laute Rufe geweckt wurde.
    »Mir ist so kalt«, weinte Fatima und zitterte am ganzen Körper, obgleich ihre Stirn glühte. In den nächsten Stunden wurden auch die Bauchschmerzen wieder stärker, bis Pelagia voll Verzweiflung Sergios rufen ließ.
    »Ein Arzt muss her, sofort!«, befahl sie. »Hol mir den besten, den es gibt. Daud hat erzählt, dass am Hof des Kalifen ein berühmter christlicher Arzt namens Ibn-Uthal verkehren soll. Kennst du ihn?«
    »Ja, wer kennt den Namen nicht. Nur wird er nicht so einfach alles stehen und liegen lassen und kommen.«
    »Aber auf Daud hört er sicher. Daud ist einflussreich, er …«
    »Aber der Herr ist nicht da. Er musste gestern nach Tyrus, wegen des Flottenbaus.«
    »Und wann«, Pelagia zitterte, »wann kommt er zurück?«
    »Er wollte sich beeilen, nur vor einer Woche wird er es nicht schaffen.«
    »Eine Woche?« Sie musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. »Dann ruf Joseph. Renn los!«
    Doch der Ägypter war in der Stadt unterwegs, so dass Stunde um Stunde verstrich, bis er endlich durch die Türe hastete. Behutsam legte er seine Hand auf den Bauch des wimmernden Kindes, und Pelagia konnte sehen, wie er zusammenzuckte.
    »Die Bauchdecke ist ganz hart«, murmelte er, »ich gebe ihr Mohnsaft mit Honig gegen die Schmerzen.« Er flößte Fatima einige Schlucke ein, dann bat er Pelagia, ihm ins Nebenzimmer zu folgen.
    »Es sieht schlecht aus«, sagte er leise, »sie hat etwas im Bauch. Einen Dämon, gegen den erfahrungsgemäß keines meiner Heilmittel hilft. Gebt ihr weiter Mohnsaft. Ist sie getauft?«
    »Nein«, Pelagia verkrampfte die Hände. »Ihr Vater wollte, dass sie im Sarazenenglauben erzogen wird.«
    Joseph zuckte mit den Schultern. »Betet für eure Tochter – ich kann nichts mehr für sie tun. Betet und überlegt, ob ihr sie nicht doch noch taufen lassen wollt.« Mit diesen Worten verabschiedete er sich, die angebotene Bezahlung lehnte er ab.
    Pelagia blieb wie gelähmt zurück. Alle Anspannung, alle Erschöpfung lasteten plötzlich bleischwer auf ihr, so dass sie sich kaum noch aufrecht halten konnte. Sie nahm Fatima in die Arme, die fiebrig und völlig teilnahmslos wirkte, setzte sich in ihren Sessel und starrte handlungsunfähig aus dem Fenster, wo die späte Nachmittagssonne ihre schrägen Strahlen über die Stadt warf. Eine halbe Stunde mochte sie so gesessen haben, dann sprang sie auf.
    »Helena!«, rief sie. »Lass die Sänfte fertig machen. Schnell!«
    »Ihr wollt ausgehen? Und Fatima?«
    »Die nehme ich mit. Ich muss sie …«, die folgenden Worte flüsterte sie, »zu einem Priester bringen, der sie tauft! Aber kein Wort zu Sergios, der würde es nur Daud verraten!«
    Kurze Zeit später saß sie in der schaukelnden Sänfte, deren Träger sich bemühten, so schnell wie möglich voranzukommen. Doch es war Markttag und die Straßen voller Händler, voll schwer bepackter Lastenträger, einkaufender Frauen und Handwerker vom Land, die in dem Gedränge versuchten, ihre Waren feilzubieten.
    »Schneller!«, trieb Pelagia sie an, als sie den äußeren Tempelbezirk mit seinen zahllosen Verkaufsständen überquerten. Doch in dem Geschiebe kamen sie der vor ihnen aufragenden Mauer des heiligen Bezirks, in dem die Johanneskathedrale lag, nur im Schneckentempo näher.
    »Beeilt euch doch!« Pelagias Stimme kippte fast, Schluchzen schüttelte sie. Sie umklammerte verzweifelt ihre Tochter, die schwer atmete und leise wimmerte. »Mein Bauch … Aua …«
    Endlich erreichten sie das Portal, durch das man in den heiligen Bezirk gelangte. Jetzt lag der weite, von Säulen umstandene Platz vor ihnen, in dessen Mitte sich die Johanneskathedrale erhob. Der Giebel, von riesigen Säulen mit vergoldeten Bronzekapitellen gestützt, schimmerte noch in der Abendsonne, während der untere Teil mit dem Eingang bereits in grauem Schatten versank. Einige Sarazenen, die auf dem Weg zum

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