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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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sein.
    Da stieß ihr Fuß gegen etwas metallisch Klirrendes. Sie bückte sich und hielt einen kleinen Schlüssel mit fein gearbeitetem Bart in der Hand. Daud musste ihn gestern Abend verloren haben, und Pelagia glaubte zu wissen, wozu er gehörte: Zu einer eisenbeschlagenen Kiste, die in seinem Zimmer stand, und in der er, wie sie einmal beobachtet hatte, Wertsachen und Dokumente verwahrte. Eine Weile hielt sie das kleine Stück Eisen in der Hand, dann nahm sie eine Kerze aus ihrem Wandschrank, erwärmte das Wachs zwischen den Handflächen und drückte den Schlüsselbart sorgfältig ab. Wozu sie das tat, konnte sie nicht sagen, aber es bereitete ihr eine tiefe Genugtuung. Anschließend bat sie Helena, dem Herrn sein Eigentum zurückzubringen.
    ***
    In den nächsten zwei Monaten sah Pelagia Daud kaum, da er die meiste Zeit in der Hafenstadt Tyrus verbrachte, wo in den Werften ein Schiff nach dem anderen auf Kiel gelegt wurde. Mehr aus Langeweile denn aus Frömmigkeit beschloss sie, nun tatsächlich den sonntäglichen Gottesdienst in der Johanneskathedrale zu besuchen. Alles war besser, als in dem leeren Haus herumzusitzen, in dem die einzige Abwechslung das stete Plärren des kleinen Suleiman bildete, den die mutterstolze Layla allen Anwesenden zur gebührenden Bewunderung unter die Nase hielt.
    In Helenas Begleitung ließ Pelagia sich in ihrer Sänfte zu der Kirche tragen, hob die Augen zu den riesigen Säulen der Vorhalle und stand ehrfurchtsvoll vor den zweiflügeligen Bronzetüren, die höher ragten als vier übereinander gestellte Männer. Innen war der fensterlose Raum von unzähligen Kerzen erhellt, deren Flackerschein von Reliquienkästchen, reich verzierten Kelchen und goldglänzenden Wandmosaiken mit Szenen aus der Bibel reflektiert wurde. In den von Säulen eingefassten Wandnischen, die einst heidnische Bildnisse enthalten haben mochten, hingen nun edelsteingeschmückte Ikonen, deren Heilige mit strengem, weltentrücktem Blick auf die Gläubigen herabsahen. Umrahmt wurden sie von zahllosen Votivgaben, die ihre wundertätige Macht bezeugten.
    Anfangs kam sich Pelagia inmitten der düsteren Pracht einsam vor, doch als unbekannte, offenbar wohlhabende Dame, die erst in der Kirche ihren schwarzen Schleier ablegte, erregte sie die Neugierde der anderen Gottesdienstbesucher. Bald kannte sie immer mehr Gläubige, fand Freunde und erfuhr mancherlei Neuigkeiten aus dem Reich des Kalifen. Selbst ihr geheimer Verdacht bestätigte sich: Auch die anderen Christen flüsterten angstvoll, die neue, große Flotte würde gewiss gegen Konstantinopel gerüstet – die Stadt, in der nicht nur der Kaiser residierte, sondern auch der Patriarch, das Oberhaupt ihrer Kirche. Nur Urso traf sie nicht, obwohl sie immer wieder die rechte Bankreihe musterte, in der die Männer saßen.
    Als Daud endlich zurückkehrte, begrüßte ihn Layla so überschwänglich, dass es durch den ganzen Hof hallte. Später am Abend sah er bei Pelagia vorbei, wirkte jedoch müde, so dass beide nur einige höfliche Worte miteinander wechselten. Ja, der Flottenbau schritte gut voran, nein, er könne noch nicht absehen, wann seine Aufgabe erledigt sei, leider sei es keineswegs möglich, morgen frei zu nehmen, um den Tag mit ihr zu verbringen, da er zu einem Treffen des Kriegsrates müsse.
    Am Abend des Folgetages, als Pelagia gerade in einer neu erworbenen Ausgabe der Historien des Herodotos las, trat Helena mit sorgenvollem Gesicht durch die Türe. »Fatima will ihr Kichererbsenmus nicht essen.«
    »Hat die Köchin wieder zu viel Knoblauch hineingetan?«, fragte Pelagia abwesend, doch die Dienerin schüttelte den Kopf und blieb in der Türe stehen.
    »Nein, die Kleine hat einfach keinen Hunger. Selbst die Datteln in Honig hat sie weggeschoben.«
    »Ach, lass sie noch etwas spielen«, meinte Pelagia beschwichtigend. »Du wirst sehen, in einer halben Stunde reißt sie dir den Teller aus der Hand.«
    »Gebe es Gott«, murmelte Helena und ging wieder an die Arbeit, während Pelagia sich erneut in ihre Schriftrolle versenkte.
    Kurze Zeit später jedoch kam ihre Tochter weinend angelaufen. »Mama, ich hab Aua!«
    Pelagia nahm sie auf den Arm und erschrak, wie fiebrig sie sich anfühlte. »Wo tut es denn genau weh, mein Engel?«
    Fatima legte die Hand auf ihren Bauch, unterhalb des Nabels, und wimmerte: »Hier, Mama!«
    »Hast du mittags etwas gegessen, das dir nicht bekommen ist?«, fragte die Mutter und rief die Köchin, doch es hatte seit dem Vortag nichts

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