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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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wiedersehen werden. Versprichst du mir das?«
    »Ja, Memilian, aber noch ist es nicht so weit. Das Boot ist schon ganz nahe!«
    Padraich sah, als Kilian nur noch etwa dreißig Schritte entfernt paddelte, dass ihm die Augen aus den Höhlen zu treten schienen. Doch da rollte eine besonders große Welle von der offenen See heran, hob die aneinandergeklammerten Mönche und trug sie fort. Padraich schlug wild mit Armen und Beinen um sich, hustete und spuckte, als ihm das Wasser in die Nase drang, doch immer wieder wurde er von dem Gewicht des Novizen herabgezogen, der sich an ihn klammerte.
    »Memilian, lass los!«, brüllte er panisch, als sein Kopf endlich wieder die Wasseroberfläche durchbrach, doch der andere schien ihn nicht zu hören.
    »Schwimm selbst!«, rief er in Todesangst, und als er erneut versank, packte er in seiner Verzweiflung die verkrampften Hände des Jüngeren und riss sie von seiner Kutte. Mit paddelnden Bewegungen, wie ein Hund, gelangte er nach oben, und als ihn eine Welle emporhob, erblickte er das Curragh kaum zehn Schritte entfernt.
    »Kilian!«, heulte er. Der Kopf des anderen fuhr herum, und er kam auf ihn zu, legte das Paddel weg, kniete an der Bootswand und half ihm ins Boot.
    »Memilian«, keuchte Padraich mit letzter Kraft, »er ist noch da draußen!« Kilian nickte stumm, gemeinsam ergriffen sie die Paddel und begannen zu suchen. Vergeblich. Kein blonder Schopf war auf der düsteren Wasserfläche zu erkennen, nur das wiegende Weiß der Schaumkronen. Nach einer halben Stunde gaben sie den Kampf gegen Wind und Wellen entkräftet auf. Kilian setzte das Segel und steuerte das Boot zum Ufer zurück. Mit letzter Kraft zogen sie es auf den Strand und ließen sich auf den Boden fallen.
    Nachdem er sich ein wenig erholt hatte, richtete sich Padraich auf. »Warum hast du so lange gebraucht?«, fuhr er den anderen an.
    Kilian wich seinem Blick aus. »Ich kann nichts dafür«, murmelte er. »Erst war die Hütte verschlossen, und dann, als Brigid kam, nun ja, dann dauerte es doch länger, als ich gedacht hatte.«
    »Was dauerte länger?«, zischte Padraich gefährlich.
    »Es ist nicht wie du denkst! Ich sollte ihr helfen, dafür wollte sie mit mir zusammen den Riss vernähen.«
    »Bei was«, fragte Padraich lauernd, »bei was hast du diesem Weib geholfen?«
    »Beruhige dich«, entgegnete Kilian und stand auf. »Sie bat mich, einen Pfosten abzusägen und damit das Dach zu stützen, das einzusinken drohte.«
    »Einen Pfosten absägen? Für eine Pfosten musste Memilian sterben?«
    »Nein, das dauerte gar nicht so lange. Aber danach stellte es sich heraus, dass der Riss im Curragh größer war. Wir mussten die Naht öffnen …«
    »Du lügst!!« Padraich war zornig aufgesprungen. »Du hast mit dieser Schlampe gehurt!«
    »Schweig! Du beleidigst meine Ehre«, erwiderte Kilian scharf, »und die ihre. Nimm das sofort zurück!«
    »Warum? Willst du etwa leugnen, dass du mit deiner Hurerei Memilian auf dem Gewissen hast?«
    Keiner von ihnen konnte später sagen, wer zuerst die Faust gegen den anderen erhoben hatte. Einen Herzschlag später wälzten sie sich auf dem Sand, prügelten aufeinander ein und beschimpften sich, bis sie mit zerschlagenen Gesichtern erschöpft von einander ablassen mussten.
    Eine Weile verging, ohne dass sie noch ein Wort miteinander wechselten. Dann machten sie sich auf den Rückweg zum Kloster. Beiden graute vor der öffentlichen Beichte, die schlimmer sein würde als jede mögliche Strafe.

Kapitel 2
    Das Weiße Martyrium
(651 n. Chr.)
    »Du siehst alles, was dich umgibt du siehst bis an den Horizont, aber nicht weiter. Du siehst, was tiefer als der Himmel ist, aber nichts darüber. Deine Unwissenheit ist starr und hindert dich zu begreifen. Wer wird dir von unglaublichen Wundern erzählen? Unglückliche Menschheit, wer wird dir zu Hilfe kommen?«
    Der heilige Columbanus der Jüngere (6. Jh.)
    Zwei Männer, in hellbraune Kutten gekleidet, standen am Ufer des Meeres. Während ihre Köpfe vorne kahl geschoren waren, hingen ihnen hinten die Haare lang bis auf die Schultern. Der eine war gebeugt, er mochte an die sechzig sein, mit grauen Strähnen und dunkler Haut. Der andere, der ihn um Haupteslänge überragte, konnte kaum zwanzig Jahre zählen. Er hatte rotblondes, leicht gekräuseltes Haar, helle Haut mit Sommersprossen und ein ebenmäßiges, freundliches Gesicht. Sie sahen über das Meer in Richtung der Sonne, die, hinter einer Wolke verborgen, sich dem Horizont näherte.
    »Warum

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