Sie kamen bis Konstantinopel
hast du mich hierher geführt?«, fragte der Jüngere und beobachtete ein Hermelin, das mit unruhigen Bewegungen den Strand nach etwas Essbarem absuchte.
»Damit du lernst, es als Gottes Wille anzunehmen. Ich weiß, dass du seitdem nicht mehr hier warst.«
Padraich blickte sich um. Alles schien unverändert: Die grünen Hügel, die Fischerkate, die Landzunge, hinter der die Felseninsel lag, und der Strand, an dem Memilians Leiche angeschwemmt worden war.
»Du und Kilian, ihr habt bereut und gebüßt«, sagte Eirenäus ruhig. »Dem reuigen Sünder verzeiht Gott.« Padraich nickte, doch ohne wahre Überzeugung. Wenn es nur leichter wäre, sich selbst zu verzeihen. Das eigene Gewissen war schlimmer als die Qual der fünfzig Peitschenhiebe, mit einer Woche Unterbrechung verabfolgt, da die Bußregel nicht mehr als fünfundzwanzig auf einmal zuließ. Schlimmer auch als das anschließende Jahr bei Wasser und Brot, verschärft durch ein absolutes Schweigegebot. Denn selbst nach Verbüßung der Strafe war die Erinnerung an das Schreckliche kaum verblasst, sie hatte ihn bei Tag verfolgt und sich bei Nacht in seine Träume geschlichen.
Mit Kilian hatte er kein Wort mehr gewechselt. Aus dem einst fröhlichen Jungen war ein starr blickender, hagerer Mann geworden, dem der Abt auferlegt hatte, mit einem Boot aufzubrechen, um sich bei der Suche nach Brendans Insel dem Urteil Gottes zu unterwerfen. Von geradezu fanatischem Eifer erfüllt, hatte er ein großes Curragh mit zwei Masten gebaut und dieses mit drei Gefährten bestiegen. An einem Sommertag vor einem Jahr war das Boot am Horizont verschwunden. Padraich, der eine Woche zuvor das Mönchsgelübde abgelegt hatte, war nicht zur Verabschiedung gekommen.
»Morgen werde ich aufbrechen, um mein Bußgelübde zu erfüllen«, sagte er leise.
Eirenäus nickte. »Ich weiß, wie schwer es ist, für immer ins Exil zu gehen. Aber auch Abraham folgte Gottes Ruf ohne Zögern.« Er stellte sich vor den Jüngeren, legte ihm seine Hände auf die Schultern und sah ihm fest in die Augen: »In Zukunft sollen das Wort Gottes und der Glaube deine wahre Heimat sein.« Der alte Ägypter schwieg einen Augenblick und ließ seinen Blick über das Meer wandern. »Du hast das Weiße Martyrium gewählt, den Aufbruch in die Fremde. Damit bringst du Gott das größte Opfer, das es für einen Iren gibt. Deshalb wirst du nie alleine sein. Wohin dein Weg dich auch führt, Gott wird über dich wachen!«
Padraich schluckte schwer und nickte, dann schlugen sie den Weg zum Kloster ein. Dort bat ihn Pater Eirenäus in seine Zelle und nahm ein kleines Buch von einem Brett an der Wand.
»Nimm es, ich habe es vor vielen Jahren mit eigener Hand geschrieben. Es enthält das Evangelium des Lukas und die Briefe des Apostels Paulus mit dem Kommentar des Pelagius. Aus dieser geistigen Heimat kann dich niemand vertreiben!«
»Danke, Pater.« Padraich kniete nieder und der alte Mann segnete ihn, bevor er noch etwas von dem Brett nahm, das er dem jungen Mönch reichte. Dieser betrachtete verwundert den kleinen, rundlichen Stein. »Sieht das nicht aus wie ein Seeigel?«, fragte er zurückhaltend. »Was soll ich mit einem Amulett?«
»Ja, das ist ein Seeigel. Ich habe ihn in meiner ägyptischen Heimat gefunden, nahe bei den Pyramiden, die einst der heidnische Pharao von den Israeliten hat erbauen lassen. Gott ließ ihn nach der Sintflut zu Stein werden. Nimm ihn mit als ein Zeichen, dass für den Herrn nichts unmöglich ist.« Und als der alte Mann merkte, dass Padraich noch immer zögerte, drückte er ihm den Stein fest in die Hand. »Nimm ihn nicht für dich, sondern für jemand anderen, der zweifelt. Eines Tages wirst du einen Menschen treffen, dem du von ganzem Herzen Glück wünschst. Dann gib ihm den Stein. Oder ihr …«
***
Am nächsten Tag, als die Sonne über den Horizont stieg, brach Padraich auf. Der Abt, der zugleich auch Bischof war, hatte ihn eine Woche zuvor zum Priester geweiht, damit er das Sakrament der Taufe spenden konnte. Jetzt segnete ihn der alte Mann und gab ihm eine Abschrift des Buches mit der Erzählung von Brendans Seefahrt mit, dazu einige Briefe sowie einen zusammengefalteten Pergamentbogen mit den Weisheiten Salomos. »Höre meinen Rat: Sage immer die Wahrheit, sei stets friedfertig – vor allem aber halte dich von Häretikern wie Juden fern!«
Padraich nickte, verabschiedete sich schweren Herzens von den Mönchen und vergaß auch den alten Cutbercht nicht, den er häufig besucht
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