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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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beherzt daran, die grünen Büschel abzureißen. Nach einiger Zeit hatten sie einen mächtigen Haufen beisammen, und Padraich begann sich langsam zu fragen, wo Kilian blieb. Der Gedanke, dass sein Freund vielleicht gerade jetzt alleine mit Brigid sein könnte, versetzte ihm einen Stich. Doch sogleich schämte er sich seiner misstrauischen Eifersucht und wandte sich an den schweigsamen Memilian.
    »Ich glaube, das genügt. Ich habe eine Flasche Wasser mitgenommen, etwas Brot und ein Messer. Wir könnten Seeigel sammeln; wenn man sie vorsichtig öffnet, kann man sie essen.«
    Memilian sah ihn ungläubig an, machte sich jedoch eifrig mit auf die Suche. Auf einmal trug der Wind ein heiseres Bellen zu ihnen herüber, und als sie aufblickten, sahen sie auf einem einige Dutzend Schritte entfernten flachen Felsen eine Seehundherde. Ein großer Bulle reckte seinen mächtigen, glatten Körper empor, die langen Schnurrbarthaare zitterten im Wind, um ihn herum lagerten einige Weibchen.
    Memilian starrte die Tiere an und plötzlich brach es aus ihm heraus: »Wenn wir eine Waffe hätten, könnten wir sie jagen! Übermorgen ist Sonntag, statt der ewigen Gänseeier …«
    »Nein«, Padraichs Stimme war schrill. »Man darf keine Seehunde töten! Mein Vater hat mir erzählt, es könnten verhexte Menschen sein. Oder die Seelen Ertrunkener.«
    Memilian sah ihn entsetzt an, nickte betreten und begann erneut, schweigend in den Felsspalten nach Seeigeln zu suchen.
    Nachdem eine Stunde vergangen war, hatten sie einige Dutzend Stachelkugeln aufgeschnitten und das schlabbrige Fleisch mit Brotstücken ausgewischt. Sie wuschen ihre Hände am Ufer und Padraich fragte: »Lebt dein Vater noch?« Der Novize nickte. »Ja, er ist Diakon in Colonia. Das ist eine Stadt an einem breiten Fluss namens Rhein. Und deiner?«
    Padraich musterte den Jungen nachdenklich, der ihn offen ansah, doch dann sagte er bloß: »Mein Vater ist tot. Aber ich möchte lieber nicht darüber sprechen.« Er lächelte traurig und blickte sich um. »Wo nur Kilian bleibt?«
    »Meinst du, ihm ist etwa zugestoßen?«, fragte Memilian erschrocken.
    »Nein, nein, er wird schon kommen«, wiegelte Padraich ab. »Achtung!« Er sprang auf, als eine besonders große Welle an den Felsen spritzte und die Jungen sich ein Stück höher setzten mussten.
    »Wie ist Colonia?«, fragte er den Jüngeren, um seine aufkeimende Unruhe nicht erkennen zu lassen.
    »Gewaltig, voller Paläste und prächtiger Kirchen, umgeben von einer hohen Mauer mit vielen Türmen«, antwortete Memilian stolz.
    »Um die ganze Stadt, so wie um das Kloster?«, fragte Padraich verwundert. »Und das habt ihr Franken erbaut?«
    »Nein, das waren die Römer. Aber wir Franken haben vor zwei Jahrhunderten die Stadt erobert. Jetzt leben nur noch wenige Römer dort, selbst die meisten Priester sind Franken.«
    »Und warum bist du hier in Irland?«
    »Weil es bei uns kaum gute Klosterschulen gibt. Immer weniger Menschen können Latein oder überhaupt nur lesen, sagt mein Vater.«
    Padraich schwieg dazu. Er begann zu frieren und sah sich um. Der Himmel hatte sich mit grauen Wolken bezogen und der Wind aufgefrischt. Die Flut stieg, ihre Insel war schon deutlich geschrumpft und der Seehundfelsen gänzlich verschwunden. Immer öfter trafen Gischtspritzer die jungen Männer.
    »Komm, lass uns etwas höher rutschen«, sagte Padraich, noch immer um Ruhe bemüht, um Memilian nicht zu ängstigen, der sich auf ihn zu verlassen schien.
    Sie setzten sich auf den Tanghaufen, und Padraich starrte in Richtung der Landzunge, um die Kilian mit dem Curragh biegen musste. Doch so sehr er sich anstrengte – kein Boot war zu sehen. Um Memilian auf andere Gedanken zu bringen, fragte er ihn nach seiner Familie, nach dem Leben in Colonia und den Verhältnissen im Frankenreich.
    »Wir haben viele Könige«, antwortete der Novize. »Ständig kämpfen sie untereinander, überfallen sich gegenseitig oder töten sich sogar.«
    »Sind sie denn keine Christen?«, verwunderte sich Padraich.
    »Getauft sind sie vielleicht«, entgegnete der andere. »Aber aufführen tun sie sich wie die schlimmsten Heiden.«
    Er sprach weiter, doch Padraich hörte kaum zu, als der Novize von dem jahrelangen Kampf der Königinnen Fredegunde und Brunichilde erzählte, wobei die letztere zum Schluss von den Verwandten, die ihren Mordanschlägen entrinnen konnten, gefangen genommen worden war. Drei Tage lang hatte man die Greisin gefoltert, bevor sie mit ihrem Haupthaar und einem

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