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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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hatte. Der ehemalige Torhüter war inzwischen zu schwach, um noch zu arbeiten, so dass er in einer Hütte neben der Schmiede sein Gnadenbrot essen durfte. »Jaja, so schnell geht es«, lächelte der Alte. »Gestern noch warst du ein Junge am Klostertor … und heute brichst du auf, um den Heiden das Evangelium zu predigen. Gott beschütze dich!« Padraich erwiderte das Lächeln und nahm den Mann, den er nie wiedersehen würde, fest in die Arme.
    Später, auf einer kleinen Anhöhe, einige Hundert Schritte entfernt, warf er noch einmal einen Blick zurück. Seine bisherige Heimat lag ruhig im Morgenlicht, umgeben von grünen Wiesen. Spitz ragte das Kirchendach über den dunklen Steinkreis, nach dem das Kloster, wie Padraich inzwischen wusste, seinen Namen Caisel hatte. Rauchfaden stiegen aus der Brauerei, dem Gästehaus und der Küche in den Himmel. In der Ferne konnte Padraich das graublaue Meer erkennen, das im Dunst des Horizonts verschwamm. Alles war wie immer und nichts würde sich ändern, nur weil ein Mitglied der Gemeinschaft zu einer Pilgerfahrt aufbrach, deren Ausgang allein in Gottes Händen lag.
    Er wandte sich abrupt um und schlug den Weg nach Nordosten ein. Sein erstes Ziel war Kloster Clonfert, wo der heilige Brendan begraben lag. Danach wollte er seine Wanderung bis Bangor im Nordosten, dem Kloster Columbans, fortsetzen. Von dort aus müsste sich ein Schiff finden lassen, das ihn nach Britannien übersetzen würde.
    Padraich war für die Pilgerschaft gerüstet, wie es die Tradition gebot. Über seiner weißen Leinentunika trug er einen braunen Wollmantel mit Kapuze, vom Gürtel baumelte eine Wasserflasche und über der Schulter hing ein Leinensack mit etwas Wegzehrung und dem Brendan-Bericht. Seine festen Sandalen waren neu, seine Hand umklammerte einen mannshohen, oben gebogenen Knotenstock und am Hals hing ein Beutel mit dem Büchlein sowie den zusammengefalteten Weisheiten Salomos. Er kannte die heiligen Schriften, sprach Latein und Griechisch, hatte jahrelang gelernt, was es an Wissenswertem gab, und dazu noch manch guten Rat vom Kellermeister mit auf den Weg bekommen.
    Trotzdem fühlte er sich anfangs unwohl, als täte er etwas Verbotenes, indem er sich von dem Steinwall des Klosters entfernte, in dem er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Doch allmählich gewöhnte er sich an die Weite der Hügellandschaft, die sich vor ihm erstreckte, und er genoss seine neu gewonnene Freiheit. Neugierig musterte er die kleinen Rundhäuser eines Dorfes, sah Schafe auf der Weide grasen und erwiderte freundlich den Gruß der Bauern, die ihm begegneten. Einmal überholte ihn ein Reiter, der ein zweites Pferd mit sich führte und ihm anbot, seinen Weg auf dessen Rücken fortzusetzen. Doch musste er dankend ablehnen – die Klosterregel verwehrte Mönchen das Reiten.
    Am späteren Nachmittag kam die Sonne hinter den Wolken hervor, wärmte seinen Hinterkopf und ließ die gelben Löwenzahnblüten im Grün der Wiesen aufleuchten. Er fühlte sich noch nicht müde, und so setzte er seine Wanderung fort, ging mit stetem, weit ausgreifendem Schritt, bis der rote Feuerball nur noch knapp über dem Horizont schwebte und sein schräg vor ihm über den Weg kriechender Schatten zu übermenschlicher Länge angewachsen war. Ein Stück voraus stand eine Mühle, deren Rad sich quietschend drehte. Er überwand seine Scheu, klopfte an, wurde freundlich aufgenommen, zum Abendessen eingeladen und bekam eine Liegestatt in der Ecke zugewiesen.
    Mehrfach schrak er aus dem Schlaf, von Angst erfüllt, er könnte die Glocke versäumt haben, die im Kloster zu den nächtlichen Gebeten rief. Aber nur das Rauschen des nahen Baches war zu hören, und plötzlich fühlte er sich unendlich einsam. Ausgestoßen kam er sich vor, nicht länger als Teil jener Gemeinschaft, die ihm so lange Schutz geboten und ihn davor bewahrt hatte, sich der fremden, unbekannten Welt stellen zu müssen. Im Dunkeln tastete er nach dem Büchlein von Bruder Eirenäus und als seine Finger den glatten Ledereinband umschlossen, fand er zu guter Letzt Ruhe in dem Bewusstsein, dass Gottes Wort ihn stets richtig leiten würde.
    Am nächsten Morgen stellte ihm die Müllersfrau mit verlegenem Lächeln einen Teller mit Brot und Käse hin, dazu ein Glas Milch. Er frühstückte unter den Blicken und dem Getuschel der vier Kinder, die den Mann mit der seltsamen Haartracht und den gefärbten Augenlidern von der Türe her anstierten. Doch als er ihnen zuwinkte, stoben sie

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