Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
Vom Netzwerk:
kreischend davon.
    Er setzte seinen Weg fort; aber die Aufbruchsstimmung von gestern wollte sich nicht wieder einstellen: Die neuen Schuhe scheuerten an seinen Füßen und der Himmel war voll grauer Wolken, die ein kalter Wind in seine Wanderrichtung zu treiben schien; bald fielen die ersten Regentropfen. Padraich zog missmutig seine Kapuze über den Kopf und marschierte weiter, setzte seinen Stab vor, machte zwei Schritte, hob den Stab an und setzte ihn erneut vor sich auf den Weg, der sich allmählich mit einer dünnen Schlammschicht überzog, in der seine Sandalen laut schmatzten. Stunde um Stunde ging er so, während das Wasser von seiner Kapuze tropfte, er zu frieren begann und seine Gedanken immer düsterer wurden.
    Auf einmal hörte er hinter sich das Knirschen von Rädern und das Wiehern eines Pferdes. »Na, willst du nicht mitfahren?«, fragte eine Männerstimme, an der ihm sofort ihr melodiöser Wohlklang auffiel. Schlecht gelaunt sah er auf und erblickte einen vierrädrigen, von zwei Pferden gezogenen Wagen, der von einem etwa fünfzigjährigen Mann gelenkt wurde. Aus der Mitte des verschmitzten Gesichtes ragte eine Hakennase, zu deren beiden Seiten sich die hochgezwirbelten Enden eines Schnauzbarts reckten, während der lange Vollbart unten in zwei Spitzen auslief. Bekleidet war er mit einem Umhang, der aus roten, gelben, grünen und braunen Rechtecken zu bestehen schien, und erst jetzt bemerkte Padraich irritiert, dass die Mähnen der Pferde rot gefärbt waren.
    »Na, komm schon hoch«, rief der Mann, »musst doch nicht heiliger tun als der große Padraich, der selbst mit dem Wagen gefahren ist!« Er kicherte und machte eine Handbewegung, als wolle er etwas auf den Wagen schaufeln.
    Zunächst war Padraich verärgert. Aber da der Mann Recht hatte und ein Stück voraus sich der Regen zu einem Gewittersturm zu steigern schien, kletterte er schließlich widerwillig auf den durch eine Plane geschützten Kutschbock.
    »Ich bin Kevin, der Barde«, hörte er die singende Stimme sagen, nachdem er sich vorgestellt hatte, »und ein Gelehrter. Von mir kannst du was lernen! Ruhig, Sweeny!« Bei diesen Worten wandte der Mann sich um und tätschelte einen großen Wolfshund, der im Dunkel des Wagens lag und drohend knurrte, als Padraich seinen Wanderstab in das Wageninnere schob. »Hab keine Angst, sonntags beißt er nicht!«, versicherte er seinem Mitreisenden leutselig. »Zumindest nicht so tief, nicht bis auf die Knochen.«
    »Woher kennt der Hund die Wochentage?«, fragte Padraich misstrauisch. »Außerdem ist heute Dienstag, oder?«
    »Dann sei besser auf der Hut!« Der Mann kicherte wieder. Padraich dagegen blickte starr nach vorne und rührte sich nicht. Eine Zeitlang fuhren sie schweigend, während der Regen auf das Tuch trommelte, das über den Wagen gespannt war. Immer häufiger zuckten jetzt Blitze über den Himmel.
    Nach einiger Zeit brach Padraich, der sich nun ein wenig sicherer fühlte, das Schweigen. »Danke, dass du mich mitgenommen hast.«
    »Keine Ursache, die Pferde machen ja die Arbeit.« Kevin winkte ab, langte nach hinten in den Wagen, holte einen Tonbecher hervor, aus dem ein kleiner Zweig ragte, zog diesen heraus und führte ihn unter andächtigem Drehen zum Munde.
    »Ich liebe Honig«, nuschelte er genüsslich, den Zweig im Mundwinkel, während er den Becher zurückstellte. »Süßen Honig, heiße Bäder und gute Spottgedichte.« Als er Padraichs erstaunten Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Stell dir vor, du hasst deinen Nachbarn und willst ihm so richtig eins reinwürgen …«
    »In diesem Fall sagt Christus, dass man seinen Feinden verzeihen soll!«
    Kevin sah ihn an, als habe sein Hund soeben Lateinisch gebellt, und schüttelte den Kopf. »Nur weil er nichts von guten Spottgedichten verstand, Mann Gottes!« Er rollte die Augen himmelwärts. »Ich bin nicht mehr als ein kleiner Barde der vierten Stufe. Aber die des höchsten Grades, des siebten, die können mit der Kraft ihrer Worte Kohl verdorren lassen, Kühen die Milch nehmen und Geschwüre im Gesicht verursachen. Glotz mich nicht so an, das können sie!«
    »Ja, aber wer will denn solche Zauberer?«, fragte Padraich ungläubig.
    »Wer sich von einem Stärkeren gekränkt fühlt und es ihm heimzahlen will. Man beauftragt einen Barden und macht ihm prächtige Geschenke.« Kevin schob den Zweig von einem Mundwinkel in den anderen und schaute betrübt drein. »Ich kann leider nur Spottgedichte machen. Solche, die von Mund zu Mund gehen, so

Weitere Kostenlose Bücher