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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Überraschung gefasst sein!«
    »So ist es«, erklärte Urso mit breitem Grinsen. »Ich befolge einfach Salomos Weisheit: ›Mit Reichtum muss mancher sein Leben erkaufen, aber ein Armer bekommt keine Drohung zu hören!‹ Zumindest, wenn er arm erscheint.«
    In dieser Nacht befiel Pelagia ein heftiges Fieber, in dem sie seltsame Träume heimsuchten. Gehetzt rannte sie durch endlose Gänge, stemmte sich gegen Türen, die so hoch waren, dass sie oben in ewiger Dunkelheit verschwammen, und landete schließlich unter der Kuppel der Hagia Sophia. Unter ihr, an langen Ketten, hingen Tausende von flackernden Lampen. Sie wusste, dass sie unbedingt eine erreichen musste. Eine einzige würde genügen, doch alle waren zu weit entfernt, und als sie sich weiter vorbeugte, erfasste sie würgender Schwindel. Plötzlich dröhnten Axthiebe gegen die bronzebeschlagenen Kirchenportale: Die Sarazenen! Jetzt war ihr klar, wozu sie die Flamme brauchte: Um sie wie Gott in der Bibel auf die Angreifer zu schleudern, die Feinde auszutilgen, ihre und Patricius' Welt vor dem Untergang zu bewahren. Doch ihre Hände waren leer, die Flammen nicht zu greifen. Jetzt sah sie den Kaiser, der unten in der Kirche stand und Hilfe suchend emporblickte. Da erinnerte sich Pelagia an etwas, das Kallinikos erzählt hatte, und sie rief seinen Namen. »Kallinikos! Komm und hilf uns! Kallinikos!«
    Mit diesem Schrei auf den Lippen erwachte sie panisch, sah in Ursos besorgtes Gesicht und drückte dankbar seine Hand, die er auf ihre fieberheiße Stirne legte. »Ich hatte einen Albtraum«, flüsterte sie. »Und ich habe gestern Patricius getroffen.«
    »Ja, ist schon gut«, beruhigte er sie und legte ihr einen feuchten Lappen auf die Stirne. »Morgen kannst du mir alles erzählen. Morgen.« Beruhigt schlief sie wieder ein.
    Als sie am nächsten Tag erwachte, schimmerte die Nachmittagssonne durch das mit geöltem Pergament bespannte Fenster. Sie war alleine, doch als sie rief, knarrten Schritte auf dem Holzboden und Kallinikos trat ein.
    »Geht es dir besser?«, fragte er und strich sich über die Glatze.
    »Ja, danke. Kann ich etwas zu Essen haben?«
    Er nickte, verließ den Raum, kehrte nach kurzer Zeit zurück und reichte ihr einen Teller mit einem Stück kalten Hammelbraten und einen Becher mit Wasser. Sie aß und trank gierig, während sie versuchte, sich zu erinnern, welcher Tag heute war. Montag. Am Mittwoch sollte die Audienz stattfinden. Zu der sie nicht gehen würde, um nicht mit leeren Händen dazustehen und sinnlos den Zorn des Kaisers zu erregen. Aber da war etwas in ihrem Traum gewesen, etwas, das mit Kallinikos zu tun hatte. Sie betrachtete den rundlichen, unscheinbaren Mann, der in seiner abgewetzten Tunika neben ihr stand. Feuer. Gottes Feuer, wie in der Bibel. Er hatte ihr etwas von Feuer erzählt, damals in Telanissos.
    »Kallinikos, du hast mal eine Hölle erwähnt, die du schaffen könntest. War das ernst gemeint?«
    »Ja und nein. Ich könnte es, aber ob ich es auch will, ist eine andere Sache.«
    Pelagia kaute, dann spann sie den Gedanken weiter. »Du hast eine Feuersubstanz erfunden, die nicht zu löschen ist. Könnte man damit eine ganze Flotte vernichten?«
    »Grundsätzlich gewiss. Aber man bräuchte Vorrichtungen, um diese Substanz auf die Schiffe zu schleudern, und wohlgeübte Männer, die mit solchem Teufelszeug umgehen können. Stell dir das nicht so einfach vor. Warum fragst du?«
    »Weil …«, Pelagia zögerte, »weil der Kaiser genau so eine Waffe unbedingt braucht. Die er sicher reich belohnen würde. Und weil ich, wie du weißt, übermorgen eine Audienz bei Konstantinos habe, wo ich dich und deine Erfindung vorstellen könnte.« Sie hob die Hand, als er sprechen wollte. »Du brauchst mir nicht zu danken. Siehe es als Gunst des Schicksals. Willst du?«
    Doch zu ihrer Verblüffung schwieg er, verzog den Mund und schüttelte den Kopf.
    »Nein, das möchte ich nicht.«
    »Aber … aber«, stotterte Pelagia, »siehst du denn nicht, dass wir bedroht werden? Wolltest du nicht selbst aus dem Machtbereich des Kalifen fliehen? Warum willst du nicht den Christen in ihrem Kampf gegen die Sarazenen beistehen?«
    »Weil ich Bauten schaffen will, statt Menschen zu morden, die mir nichts getan haben.« Er stand auf und ging zur Türe. »Schon gar nicht um irgendeines Glaubens willen. Ehrlich gesagt habe ich gute Gründe, Patriarch samt Kaiser sogar noch schlimmer zu finden als den Kalifen.«
    Pelagia schüttelte verständnislos den Kopf.

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