Sie kamen bis Konstantinopel
auf einmal alt und müde.
»Warum, Pelagia, hat Gott wohl zugelassen, dass deine Flottenpläne zu Asche zerfielen? Warum schickt er nicht, wie einst in der Bibel, sein Feuer, um die Feinde zu vertilgen? Warum schlägt er das Römische Reich mit einem Unheil nach dem anderen – wenn nicht, um uns durch seine Strafe zur Umkehr zu zwingen?« Er legte seine Rechte auf die Stirn und fuhr sich über die Wange. »Manchmal möchte ich mich einfach in die Bibliothek des Studios-Klosters zurückziehen. Oder, noch besser, in eine Eremitenklause in meiner Heimat. Niemandem mehr begegnen. Keine Seele zu irgendetwas bekehren müssen. Nur noch grüne Wiesen sehen und das Meer rauschen hören. Dann könnte es mir gleichgültig sein, welches Schwert diese Welt regiert …«
Pelagia sah den großen, rothaarigen Mann in seinem dunklen Umhang an, gewahrte die unendliche Einsamkeit in seinen Augen und plötzlich konnte sie nicht anders, als ihren Kopf an seine Brust zu legen. Zu ihrer Verwunderung stieß er sie nicht zurück, sondern schloss ganz sanft seine Arme um sie und drückte sie zart an sich.
»Früher wussten wir genau, was wir wollten«, sagte sie mit belegter Stimme, »du den Glauben verbreiten, ich irdische Reichtümer erringen. Beide sind wir gescheitert – ich noch weit mehr als du.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Patricius, »du hast zumindest das weltliche Dasein gewagt. In einer besseren Welt hätte unser Leben anders verlaufen können.« Mit gesenkter Stimme, als hätte er Angst, belauscht zu werden, fügte er hinzu: »Vor vielen Jahren meinte einmal eine junge Frau, ich müsse nur die Richtige treffen. Damals, als Mönch, wollte ich das nicht hören, und jetzt ist es zu spät.«
Pelagia hätte am liebsten aufgeschrien, ihm widersprochen, ihn an sich gerissen. Doch sie war wie gelähmt vor Angst, diese kostbare Nähe zu zerstören, erneut wie einst in Syrakus zurückgewiesen zu werden.
Plötzlich löste sich Patricius aus der Umarmung, wandte sich um, ging auf den Ausgang zu und öffnete die Türe. Draußen trieb ein böiger Wind Regenschauer über das Pflaster, matt glänzten die Kuppeln der großen Kirche in der Nässe. Ein räudiger Hund schlich mit eingezogenem Schwanz vorbei.
»Der Patriarch erwartet mich.«
Stumm folgte sie dem Priester. Als sich ihre Wege trennten, drehte er sich nochmals um.
»Wenn du mich brauchst«, setzte er nach kurzem Zögern hinzu, »erreichst du mich im Patriarchenpalast.«
***
Als sich Schneeflocken in den strömenden Regen mischten, wurde es völlig unmöglich, eine freie Sänfte zu finden, obwohl Pelagia gerne dafür ihre letzten Münzen geopfert hätte. So gelangte sie völlig durchnässt und ausgefroren im Haus ihrer Freunde an, um sogleich erschöpft ins Bett zu fallen. Urso versorgte sie wie ein krankes Kind und selbst Kallinikos wuchtete ein großes bronzenes Kohlebecken in den Raum, als er sah, wie sie zähneklappernd unter ihren Decken lag.
»Hast du jetzt deine alten Heiligenknochen?«, fragte sie Urso, als er warmen Würzwein brachte.
»Leider nein, die Friedhöfe in der Stadt sind bewacht«, gab er bedauernd zurück und reichte ihr einen Becher. »Ich werde es morgen, sobald es dämmert, jenseits der großen Landmauer versuchen. Bei der Säule, auf der einst Thomas stand, dieser Nachahmer Simeons.«
»Pass nur auf. Ich habe gehört, dass Plünderertrupps die Kirchen und Höfe vor der Stadt unsicher machen sollen.« Gierig trank sie den Becher in einem Zug leer.
»Keine Angst, du weißt doch, wie gut ich Reißaus nehmen kann«, lachte er und schenkte ihr nach.
»Dieses Haus muss einiges gekostet haben, dazu deine Kapelle«, wechselte Pelagia das Thema. »Hast du das alles in Damaskus verdient?«
Urso schüttelte den Kopf. »Nein, nicht nur, ich hatte auch das Gold aus Rom.«
»Ja haben dir das die Sarazenen denn nicht abgenommen?« Kopfschüttelnd nahm Pelagia einen weiteren, tiefen Zug aus dem Becher. »Sogar ich wurde bis auf die Haut durchsucht.«
»Ich auch«, lachte Urso, ging aus dem Raum und kam wenig später mit den alten Sandalen zurück, die Pelagia stets so hässlich gefunden hatte. Jetzt waren die dicken, aus zwei Lederschichten genähten Sohlen aufgeschnitten und hingen halb herunter.
»Da drin waren meine Solidi. Die Wächter haben sie genau besehen, daran gerochen und sie gleich wieder fallen lassen.«
Pelagia, die den Wein bereits spürte, prustete los, dass sie sich verschluckte und husten musste. »Bei dir muss man immer auf eine
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