Sie kamen bis Konstantinopel
hinunter, beobachtete die Fischerboote und ließ seinen Blick über die umliegenden Berge schweifen, die von dichten Wäldern bedeckt waren. Auf dem Rückweg begegnete er einem Jungen, der seine Schafherde aus dem Dorf trieb und den Fremden scheu anstarrte. Plötzlich wusste Padraich nicht, wie er seine Missionsarbeit beginnen sollte. Im Kloster hatte alles so einfach geklungen, doch hier, in der Fremde, unter diesen einfachen Fischern, Bauern und Handwerkern, schien ihm die Heilige Schrift unendlich fern. So war er dankbar, als er die Frau traf, die ihn zu dem Häuptling gebracht hatte. Sie trug ein langes, hellbraunes Wollkleid und hielt ein kleines Kind auf dem Arm. Nach einigen Worten lud sie ihn ein, ihr zu dem Rundhaus zu folgen, das sie mit ihrer Familie bewohnte. »Ich heiße Ita«, sagte sie freundlich.
»Hast du auch Söhne?«, fragte sie unverblümt, nachdem er seinen Namen genannt hatte.
»Nein, ich bin nicht verheiratet«, antwortete er etwas verlegen.
»Wie traurig«, rief sie aus, »ein stattlicher Mann wie du braucht eine Frau!«
»Wir Mönche leben enthaltsam, nur für Gott.«
»Das ist nicht gut«, entgegnete Ita ernst. »Du hast nur noch nicht die Richtige getroffen.«
Padraich begann, ihr von seinem Gelübde zu erzählen, vom Leben der Mönche und dem Glauben, der sie dazu trieb, in die Welt hinauszuziehen.
»Irgendwann findest du bestimmt die richtige Frau«, unterbrach ihn Ita und legte den Kopf schief. »Meine jüngere Schwester könnte dir gefallen.«
»Sie gefällt mir sicher, wenn sie so ist wie du, nur verbietet es mir mein Glaube.«
»Ein dummer Glaube.« Das kleine Kind weinte, und Ita gab ihm die Brust. »Ohne Frau keine Kinder, und ohne Kinder keine Mönche, nicht wahr?«
Padraich, der seinen Blick nun gesenkt hielt, antwortete geduldig. »Die gewöhnlichen Christen heiraten schon.«
»Dann bist du ein besonderer Priester?«
»So ähnlich. Unsere Priester können schon Frauen haben. Nur wir Mönche widmen uns ganz dem Dienst an unserem Gott. Da bleibt keine Zeit für eine Familie.«
Ita zuckte mit den Schultern und streichelte das Kind, das zufrieden schmatzte. »Zwei Tagesreisen entfernt wohnt ein Druide, der die Geister beschwört, Wunden heilt und uns Fruchtbarkeit bringt. Der hat sogar drei Frauen!«
Padraich lächelte. »Mein Gott ist der wahre Gott, stärker als alle Götzen.«
In diesem Augenblick näherten sich Schritte, und ein junger Pikte trat ein, einen Korb mit Fischen auf der Schulter.
»Das ist Maedóc, mein Mann«, strahlte Ita und umarmte den Fischer. Er war nur wenig älter als Padraich; schlank, schwarzhaarig und gut aussehend. Mit gewinnendem Lächeln begrüßte er den Fremden, nachdem er den Korb abgestellt und das Kind geküsst hatte. Padraich erwiderte den Gruß, doch etwas in seinem Innersten versetzte ihm einen Stich, als er die glückliche Familie sah. Eifersucht, tadelte er sich sogleich, ist ein Gefühl, das kein Mönch haben darf, und er beschloss, am Abend fünfzig Psalter extra zu beten. Aber da war noch etwas, etwas Furchtbares, etwas, dass er seit zwei Jahren nicht mehr gespürt hatte: Einen Moment lang schien ihm das Gesicht des jungen Mannes verschwommen, wie hinter einem Nebelschleier. Aber das konnte, durfte nicht sein …
Er wechselte noch ein paar Worte mit den beiden, dann verabschiedete er sich. Im Eingang wandte er sich um. »Maedóc«, sagte er, »hast du irgendetwas Gefährliches vor?«
»Nein, gewiss nicht«, lachte der junge Fischer. »Warum fragst du?«
»Nur so. Nimm dich in Acht.«
Als er nach dem Abendessen in seiner Hütte betete, hörte er unvermittelt die krächzende Stimme des Greises, der sich auf seiner Liege aufgerichtet hatte. »Hast du Angst?«
»Warum fragst du mich das?«
»Weil du zu deinem Gott sprichst. Ich war früher im Süden, weit jenseits der großen Mauer. Da habe ich Christen kennengelernt.«
»Ich bete nicht für mich, sondern für jemand anderen.« Padraich zögerte. »Droht Krieg mit einem Nachbarstamm?«
»Wir leben mit allen in Frieden«, antwortete der Alte verwundert. »Es gibt viel Platz und nichts, für das es sich zu töten lohnt.«
»Leben hier Bären oder andere gefährliche Tiere?«
»Einige Wölfe vielleicht. Bären haben wir hier schon seit Jahren nicht mehr gesehen.« Der Mann hielt kurz inne, setzte dann leise, fast flüsternd hinzu: »Und ihn auch nicht …«
»Wen?«, fragte Padraich, der sich nicht sicher war, richtig verstanden zu haben.
»Man darf seinen Namen nicht
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