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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Klosters durch die Hügel wand. Lange saß er auf einem Bootssteg, bis es dunkel wurde, Frösche quakten und der aufgehende Mond sich in dem leise plätschernden Wasser spiegelte. Sein Geist war zu aufgewühlt, um schon schlafen zu können, denn immer wieder gingen ihm dieselben Fragen durch den Kopf.
    Warum ließ Gott es zu, dass die Menschen einander wie Wölfe zerfleischten?
    Wie konnte Britannien, ein bereits christliches Land, so tief in Heidentum und Barbarei versinken, dass der Papst vor einem halben Jahrhundert erneut Missionare hatte entsenden müssen?
    Padraich dachte an Memilian, an seine schrecklichen Erzählungen aus dem Frankenreich und seinen Tod in den kalten Fluten, und wieder peinigten ihn die Fragen.
    Welche Schuld hatte der junge Mönch auf sich geladen, dass er so sterben musste? War es ein von Gott vorbestimmtes Schicksal oder hätten Kilian und er anders handeln können?
    Wie konnten getaufte Königinnen und Könige, noch dazu aus der gleichen Familie, sich gegenseitig vergiften, erstechen und zu Tode foltern lassen? Weshalb zeigte sich Gott so langmütig und vertilgte nicht, wie einst in der Bibel, diese Schlangenbrut mit Feuer und Schwert?
    Welchen Sinn hatte es, sein Leben der Bekehrung der Heiden zu widmen, wenn Christen sich so gebärdeten?
    War es da nicht besser, als Einsiedler ganz der Welt zu entsagen und nur das eigene Seelenheil zu erstreben?
    Natürlich kannte Padraich die Antworten der Kirche auf diese Fragen, doch heute erreichten sie sein Herz nicht, ließen ihn nur einsam und zweifelnd zurück. Nach Stunden erst ging er zum Gästehaus und kroch in das Bett, das er mit zwei anderen Reisenden teilte. Als einer begann, lautstark zu schnarchen, musste er an Kevin denken und sah nun die Lästereien des Barden in einem milderen Licht.
    Nach einigen Tagen, in denen er gelesen hatte, bis seine Augen tränten, und er seinen Seelenfrieden in langen Gesprächen mit dem Abt des Klosters wiedergefunden hatte, brach er erneut auf. Inzwischen war er das Wandern gewohnt, genoss die sonnigen Stunden und ließ sich auch nicht durch Wind und Regen aus der Ruhe bringen. Nach einer Woche erreichte er das Kloster Bangor, dessen Abt ihn fragte, ob er einen Umweg machen könne, um seinem Amtsbruder auf der Insel Hy ein Schreiben zu überbringen. Gerne stimmte Padraich zu, da er so das berühmte Kloster sehen würde, das der heilige Columbanus vor fast einem Jahrhundert gegründet hatte. Mit etwas Herzklopfen bestieg er ein Segelschiff, das ihn auf der Klosterinsel absetzte, wo ihn der Abt herzlich begrüßte und einen ganzen Abend lang in ein Gespräch verwickelte, was die wahre Weise sei, das Datum des Osterfestes zu berechnen.
    Mehrere Wochen lang musste Padraich seine Reise unterbrechen, da heftige Stürme über die Insel fegten, Brecher ans Ufer donnerten und kein Schiff in See stechen konnte. Wieder vergrub er sich in der Bibliothek, wo er sich in die Werke heidnischer Autoren wie Cicero, Tacitus, Seneca und Cassius Dio vertiefte. Da es im Kloster zahlreiche angelsächsische Mönche gab, nutzte er den Aufenthalt auch dazu, möglichst viele Worte dieser fremden, rauen Sprache zu erlernen. Als es endlich aufklarte, fand er kein Schiff nach Süden, sondern nur einen Fischer, der ihn nach Alba, den nördlichen Teil Britanniens, übersetzen konnte. Da Padraich gehört hatte, dass es unter den Pikten noch viele Heiden zu bekehren gäbe, dankte er Gott für diese Fügung und ließ sich an einem warmen Sommertag an der unbekannten Felsenküste absetzen.
    ***
    Erwartungsvoll begann er seine Wanderung, doch diesmal war es nicht mehr die vertraute Heimat, sondern ein wildes, einsames und feindliches Land, das er zu durchqueren hatte. Die wenigen Hütten lagen weit verstreut, und die Wege dazwischen waren oft nicht mehr als Trampelpfade, die sich durch Wald und Gebüsch wanden. Bald ging das hart gewordene Brot zur Neige, dann der Käse und zuletzt konnte er sich nur noch von dem getrockneten Fisch ernähren, den ihm die Mönche mitgegeben hatten und den er stundenlang in Wasser einweichen musste, bevor er ihn kochen konnte. Er begann, Beeren und Pilze zu suchen und schalt sich einen Toren, nicht mehr über das Fischen oder Legen von Schlingen gelernt zu haben. Eines Nachts riss ihn zu allem Übel ein Heulen aus dem Schlaf, das immer näher kam, und als er auf einem Hügel den Umriss eines Wolfes erblickte, ließ er von da ab nachts das Feuer nicht mehr ausgehen. Die Menschen, denen er gelegentlich begegnete,

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