Sie kamen bis Konstantinopel
schwarzes Haar war aufgelöst. Padraich verspürte eine schreckliche Vorahnung, schob einen Fackelträger beiseite, lief zu ihr und legte die Hand auf ihre Schulter. Sie blickte auf, und er fuhr zurück, als habe ihn ein glühendes Eisen berührt. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, die Augen vor Schreck geweitet, der Mund halb offen. Doch das schlimmste war die Mischung aus Tränen und Blut – Blut, das auch ihre Arme und ihr Kleid befleckte. Blut, das von Maedóc stammte, dessen verkrümmter Körper unter ihr lag, das rechte Bein unterhalb der Hüfte nur mehr ein roter Stumpf.
»Was …«, fragte Padraich leise, »was ist geschehen?«
Ita starrte ihn bloß an. Zitternd wies ihr ausgestreckter Arm in Richtung des Sees. »Da, da draußen …«
»Was ist da draußen?«, insistierte er.
Die Frau zögerte, dann formten ihre Lippen unhörbar ein Wort.
Padraich beugte sich tiefer und sah ihr ins Gesicht. »Wer hat das getan?«
»Niseag!«
»Niseag?«, wiederholte Padraich irritiert.
»Der Wasserdrache!« Ita heulte auf, wandte sich ab und warf sich wieder über den Toten.
Padraich bekreuzigte sich und ging hastig zum Ufer. Dort stand der Häuptling und sprach leise mit den Fischern, die ihre Boote ans Ufer gezogen hatten. Wieder und wieder, als könnten sie es nicht fassen, sprudelten sie ihre Geschichte hervor, zu der jeder noch schrecklichere Einzelheiten beizutragen wusste: Sie seien ausgefahren, um nachts beim Fackelschein zu fischen, da habe Maedóc Schwierigkeiten beim Einholen des Netzes gehabt. Lachend sei er in den See gesprungen, um das Netz zu lösen und habe ihnen noch zugewinkt, als auf einmal das Wasser zu brodeln angefangen habe. Auf die Schreie Maedócs hin seien sie sofort zu ihm gerudert, hätten noch gesehen, wie er mit irgendetwas Gewaltigem gekämpft, um sich geschlagen habe, dann sei er kurz unter Wasser gezogen worden, doch gleich danach wieder aufgetaucht. Mit vereinten Kräften hätten sie den regungslosen Körper in eines der Boote gezogen, um sofort ans Ufer zu rudern, doch sei jede Hilfe zu spät gekommen.
Mit versteinerter Miene hörte der Häuptling zu, ballte stumm die Faust und blickte sich um. Sein Blick streifte erst den Druiden, dann Padraich, und plötzlich verzogen sich seine Lippen zu einem schmalen Strich.
»Vorhin haben sich zwei Priester über ihre Götter gestritten.« Er sprach jetzt mit lauernder Stimme, die sogleich die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich zog. »Jetzt können sie uns ihre Macht beweisen.« Aed wies auf den See. »Seht ihr da draußen Maedócs Boot?«
Alle starrten auf die schwarz glänzende Seeoberfläche, über der Nebelschwaden hingen. Einige Steinwürfe entfernt zeichnete sich ein kleiner Rumpf ab.
»Wer von euch wagt es, unter dem Schutz seines Gottes hinauszuschwimmen, um das Boot zurückzuholen?« Er sah den Zauberer an. »Wir kennen uns schon viele Jahre. Du sollst den Vortritt haben.«
Der hagere Mann befingerte seine Bärenzahnkette. Sah sich um wie ein Tier in der Falle. Schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht … Niseag ist erzürnt. Er ist ein mächtiger Dämon …« Er trat einen Schritt zurück. »Nein, sich jetzt ins Wasser zu wagen, wäre Tollheit. Es würde ihn nur reizen.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, bevor sich der Häuptling Padraich zuwandte.
»Und du, Christenpriester?«
Durch Padraichs Kopf wirbelten die Gedanken. Angst würgte ihn beim Anblick des blutigen Körpers am Boden. Sein eigener Schweißgeruch stieg ihm in die Nase. Er starrte auf die dunkel glänzende Wasserfläche, auf der sich die Mondsichel spiegelte.
Da hörte er eine leise Stimme fragen: »Du kannst nicht schwimmen?«
Padraich sah zur Seite, gewahrte Lugne, nickte stumm, beschämt. Da straffte der andere seinen Körper, trat vor und erklärte. »Ich werde es tun. Ich bin Christ. Lange habe ich mich nicht zu meinem Glauben bekannt. Heute hat diese Feigheit ein Ende!«
Eine Frau schrie auf, kam herangerannt und versuchte, ihn zurückzuhalten, doch Lugne riss sich los. Durch die Menge lief ein Raunen, während er zum Ufer ging und seinen Umhang zu Boden fallen ließ. Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, setzte er seine Füße ins Wasser. Schnell wurde es tiefer, reichte ihm bis zu den Knien, umspülte seine Oberschenkel. Seine Tunika blähte sich kurz auf, als er sich nach vorne sinken ließ und zu schwimmen begann. Mit ruhigen Bewegungen, die nur kleine Wellen ans Ufer schlagen ließen. Langsam wurde sein Kopf kleiner, näherte sich dem
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