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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Boot. Alles blieb ruhig. Padraich hörte den Mann neben sich erleichtert ausatmen. Allmählich ließ die Anspannung nach. Hinter ihm murmelte jemand Unverständliches, erste Schritte knirschten auf dem Uferkies.
    Eine Bewegung am linken Rand seines Gesichtsfeldes ließ Padraich aufmerken. Es schien, als pflüge ein Baumstrunk durchs Wasser. Etwas näherte sich dem Schwimmer. Ein Schrei, jetzt hatte es einer der Männer am Ufer bemerkt. Lugne wandte den Kopf, änderte dann seine Richtung. Nur weg, weg von diesem Etwas! Seine Bewegungen wurden hastig, Wasser spritzte. Er schwamm, das Gesicht in Todesangst verzerrt, wie ein Wahnsinniger aufs Ufer zu. Doch was auch immer hinter ihm her war, schoss noch schneller durch die von kleinen Wellen geriffelte Oberfläche. Mit einem Mal war ein seltsames Geräusch zu vernehmen: ein Knurren, das sich zu einem zischenden, grollenden Laut steigerte, wie ihn Padraich noch nie vernommen hatte. Lugne schwamm um sein Leben, verfolgt von einem großen, weit aufgerissenen Maul. Rasch kam es näher, war jetzt nur noch ein Dutzend Schritte hinter ihm. Wenige Herzschläge noch und es würde den Schwimmer fassen, seine Zähne in den Körper des Mannes schlagen, ihn zerfetzen und in die Tiefe reißen.
    Padraich schob die Menschen beiseite, lief ans Ufer, schlug weithin sichtbar das Kreuz in die Luft. So laut er konnte, rief er auf den See hinaus: »Im Namen Gottes! Nicht weiter! Rühre diesen Mann nicht an! Kehre um!«
    Die Worte verhallten über der Wasserfläche. Am Ufer standen alle wie versteinert. Dann plötzlich war nur noch Lugnes Keuchen und das Klatschen seiner hastigen Schwimmbewegungen zu vernehmen. Das Ungeheuer dagegen schien ruckartig in seiner Bewegung zu verharren, noch einmal ließ es ein drohendes Knurren ertönen, machte kehrt, tauchte ab und verschwand.
    Kurz darauf hatte Lugne das Ufer erreicht. Erschöpft stolperte er ans Land, triefend vor Wasser. Padraich fing ihn auf, spürte das Herz des Mannes pochen, hörte sein Keuchen und achtete nicht auf die Nässe, die auch seine Tunika durchdrang. Er hörte das Schluchzen der Frau, die sich herandrängte, um ihren Mann in die Arme zu schließen. Eine Zeitlang standen sie so zu dritt, umringt von den Bewohnern des Dorfes, die untereinander tuschelten und immer wieder auf den See hinausblickten. Doch Niseag zeigte sich nicht mehr.
    Zuletzt näherte sich der Häuptling. »Ich glaube, ich habe dir und deinem Glauben Unrecht getan. Predige, so viel du willst. Sogar in meinem Haus«, fügte er mit sichtlicher Überwindung hinzu und ging mit schweren Schritten zum Dorf zurück.
    Padraich blieb nun doch noch eine Woche, in der er fast ein Dutzend Dorfbewohner taufen konnte, darunter auch Maedócs Witwe Ita.
    »Aber nur, wenn ich nicht Mönch werden muss!«, war ihre Bedingung gewesen. »Irgendwann brauche ich wieder einen Vater für meinen kleinen Sohn«, hatte sie unter Tränen ergänzt, »irgendwann. Wenn ich nicht mehr trauere und den Richtigen treffe.« Dabei hatte sie Padraich tief in die Augen gesehen, so dass dieser unwillkürlich den Blick niederschlug. »Auch dir wünsche ich, dass du eines Tages die Richtige triffst. Alleine sein ist nicht gut!«
    Die meiste Zeit widmete Padraich der Unterweisung Lugnes, der die kleine Gemeinde leiten sollte. »Kannst du mich zum Priester machen, so dass ich taufen kann?«, hatte er den Mönch gefragt, doch dieser musste verneinen. »Ich kann dich nicht zum Priester weihen. Aber wenn du mich auf dem Weg nach Süden begleitest, bis zu deiner Heimatstadt Eoforwic, so werden wir dort einen Bischof finden, der das Sakrament spenden kann.«
    So waren sie gemeinsam aufgebrochen, vom Häuptling reich mit Vorräten versorgt. Nach zehn Tagen Wanderung gelangten sie zu der Römermauer, die Gildas beschrieben hatte. Mehr als drei Mann hoch zog sich das ungeheure Bauwerk über die Hügel. Fassungslos durchschritt Padraich eine von Brennnesseln eingerahmte Pforte, hinter der sich ein verlassenes, von Bäumen überwuchertes Kastell erstreckte. Eine weitere Woche später erhoben sich die Mauern und Türme von Eoforwic vor ihnen.
    Nachdem sie den Bischof aufgesucht hatten, durchwanderte Padraich, der noch nie eine ehemalige Römerstadt gesehen hatte, die verfallene Pracht. Staunend befühlte er die bemoosten Säulen des Forums, sah den blauen Himmel durch zerfallene Tempeldächer und die leeren Fensterhöhlen einer großen Halle lugen und ging zu der kleinen Kirche, die an der Stelle stand, an der einst

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