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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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nennen«, murmelte der Alte. »Das bringt Unglück.«
    So sehr Padraich auch in ihn drang, mehr wollte er nicht sagen.
    Die nächsten Tage waren eine ruhige Zeit für den jungen Mönch. Nachdem er einem gestürzten Jäger das gebrochene Bein geschient hatte, war er in jeder Hütte willkommen. Die meisten lauschten zwar höflich, wenn er von Christus sprach, doch niemand wollte mehr über den neuen Glauben wissen – bis auf Lugne, einen unscheinbaren Mann aus Eoforwic, einer Stadt im Süden. Er war einst als reisender Händler durch das Land gezogen, in dem Dorf erkrankt und von einer Frau gepflegt worden, die er dann geheiratet hatte. Nach einem längeren Gespräch gestand er, selbst Christ zu sein, dies aber aus Angst vor dem Häuptling niemandem außer seiner Frau gesagt zu haben. Durch ihn erfuhr Padraich, dass das Dorf weit nördlicher lag, als er angenommen hatte, so dass er allein bis zur großen Mauer schon über zehn Tage brauchen würde.
    Am Abend des vierten Tages, den Padraich im Dorf verbrachte, lud ihn Aed in sein von Fackeln erleuchtetes Haus ein.
    Inmitten der Dorfältesten saß ein ihm unbekannter älterer Mann. Der Fremde war mittelgroß, hager, trug eine Kette aus Bärenzähnen und Bernsteinperlen um den Hals. Sein stechender Blick maß Padraich von Kopf bis Fuß, dann griff er sich den Metkrug und trank schlürfend, während sein Adamsapfel wippte.
    »Das ist also der neue Wunderheiler«, grunzte er und rülpste laut, während die umliegenden Gespräche verstummten und sich die Blicke auf die beiden Kontrahenten richteten.
    »Ich tat nur, was jeder getan hätte«, entgegnete Padraich ruhig und nahm den ihm gereichten Krug.
    »Was willst du hier?«, fragte der Fremde herausfordernd, offenbar der Druide, von dem Ita gesprochen hatte.
    »Ich bringe das Wort Christi. Ein Glaube des Friedens und der Versöhnung.«
    »Ein Gott für Schwächlinge«, knurrte der Zauberer. »Oder stimmt es etwa nicht, dass euer Prophet von den Römern gekreuzigt wurde?« Ein Murmeln lief durch die Reihen.
    »Ja, er war so mutig, sein Leben für uns Menschen zu opfern«, erwiderte Padraich. »Aber in diesem Haus rede ich nicht darüber, das habe ich Aed versprochen.«
    »Also bist du auch ein Feigling?«, stichelte der andere.
    »Wenn für dich jemand ein Feigling ist, nur weil er Beleidigungen nicht mit der Faust vergilt, dann glaub das nur!«
    »Aufhören! In meinem Haus wird kein Gast beleidigt!« Aed schlug mit der Faust auf den Tisch, dass der Met aus den Krügen spritzte. »Redet meinetwegen von Weibern oder eurer Verdauung!«
    Just da wurde unter Gejohle ein Spieß mit einem gerösteten Ferkel hereingetragen. Bald schmatzten alle zufrieden, und niemand wollte mehr über Götter streiten. Man sprach von der Ernte, wie viele Schafe Junge werfen würden, von baldigen Hochzeiten und den Kostbarkeiten, die es in den Städten des Südens gab. Padraich saß satt, aber noch immer verstimmt, inmitten der Männer, trank seinen Met und hatte gerade beschlossen, am nächsten Tag nach Süden aufzubrechen, als draußen laute Stimmen zu hören waren. Die Türe flog auf und ein Mann mit verzerrtem Gesicht stürzte herein, der wild gestikulierend Satzfetzen und Worte hervorstieß, die Padraich kaum verstehen konnte. Alle sprangen auf, ergriffen die Fackeln und liefen zum Seeufer.
    »Was ist geschehen?«, rief der Mönch einem der Dorfältesten zu, der neben ihm rannte.
    »Er ist wiedergekommen«, keuchte der Mann. »Er hat einen Fischer getötet.«
    »Wer?«, schrie Padraich, doch der andere eilte nur schwer atmend weiter.
    Am Ufer hatten sich die Einwohner des Dorfes versammelt. Männer mit Fackeln bildeten einen großen Lichtkreis, jenseits dessen alles in graublauer Nacht versank. Der Mond drang kaum durch die Nebelschwaden, die über dem See lagen und wie bleiche Finger nach dem Ufer zu greifen schienen. Als Padraich näher kam, hörte er eine Frau schreien. Es waren spitze, abgehackte Laute, denen eines verwundeten Tieres gleich, die in Schluchzen übergingen und schließlich verstummten. Als er die Menge erreichte, war nichts außer dem Zirpen der Grillen zu hören. Padraich drängte sich durch die schweigenden Menschen, bis er die Fackelträger erreichte. In der Mitte der Fläche lag ein Mann auf dem Rücken, von dem nur ein Bein zu erkennen war, denn über Brust und Kopf hatte sich die trauernde Frau geworfen. Ihr Körper schien von Krämpfen geschüttelt zu werden, die Hände zuckten, öffneten und schlossen sich, ihr

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