Sie kamen bis Konstantinopel
Arbeitszimmer des Papstes standen.
Patricius erblickte einen kahlen, gebeugten Mann, der in einem mit Elfenbeineinlagen verzierten Sessel saß, den Besucher mit wachen Augen musterte und ihm seine Hand mit einem Goldring hinstreckte, den Patricius mit den Lippen berührte. Papst Martin erkundigte sich eingehend nach den Verhältnissen in Irland und am Hof der Agilolfinger in Reganesburg, verstummte entsetzt, als er von dem Ende Haimhrams erfuhr und befahl sogleich seinem Sekretär, eine Messe für das Seelenheil des Märtyrers lesen zu lassen.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte er, als er Patricius' Gesichtsausdruck bemerkte. »Er hat die Unwahrheit gesagt. Aber das tat er weder aus Eigennutz noch um jemanden zu schädigen. Er nahm, wie Jesus, fremde Schuld auf sich. Somit handelte er als wahrer Glaubenszeuge, Gottes Wort getreu bis in den Tod.«
Patricius nickte beschämt. So hatte er die schrecklichen Ereignisse bisher nicht gesehen. In diesem Augenblick pochte es heftig an die Türe, und ein Diener stürzte herein.
»Theodorus, der neue Exarch, und sein Sekretär Pellurios sind eingetroffen. Sie marschieren mit ihren Soldaten direkt hierher!«
Papst Martin sprang auf, raffte einige Dokumente zusammen und lief aus der Türe. »In die Basilika«, rief er dem Mönch zu. »Schnell!«
In der Kirche angekommen, ließ Martin die Tore verrammeln und gab Befehl, dem Statthalter des Kaisers auszurichten, er fühle sich unwohl und könne niemanden empfangen. Der Tag verging mit vielen geflüsterten Gesprächen, aus denen sich Patricius allmählich ein Bild machen konnte: Aufgrund theologischer Streitereien, verschärft durch die alte Rivalität zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem Papst in Rom, hatte der junge Kaiser Konstans die traditionell notwendige Zustimmung verweigert, als der römische Klerus vor vier Jahren Martin zum Papst gewählt hatte. Stete Angriffe der ungläubigen Sarazenen an der Ostgrenze des Reiches hätten dem Kaiser bislang die Hände gebunden, hieß es, doch jetzt sei der Exarch aus Ravenna als sein Vertreter gekommen, um den Papst zur Rechenschaft zu ziehen. Während Patricius seine Augen über die im Halbdunkel glänzenden Mosaike, die Marmorverkleidungen, die Heiligenbilder und die goldgeschmückten Altäre wandern ließ, brachten Späher immer neue Berichte von dem, was außerhalb der Kirche vor sich ging: Anfangs habe Theodoros höflich gewartet, doch dann den Befehl gegeben, den Papstpalast nach Waffen zu durchsuchen. Als keine Beweise für Umstürzlertum gefunden worden seien, habe der Exarch die anwesenden Diakone und Priester zusammentreiben lassen, um ihnen die Anklage auf Hochverrat vorzulesen und sie aufzufordern, Martin unverzüglich abzusetzen und einen neuen Papst zu wählen. Doch hätten die Kirchenmänner bislang der Drohung getrotzt, während zugleich die Stimmung im Volke immer gereizter würde.
Der Papst hörte sich alles schweigend an, schüttelte gelegentlich den Kopf, doch ohne etwas zu tun oder zu befehlen. Als die Nacht hereinbrach, ließ er eine Liege holen und vor den Altar stellen. »Schlaft, meine Brüder«, sagte er leise. »Nur Gott weiß, warum er uns diese Prüfung auferlegt.«
Patricius streckte sich in einem Winkel auf dem Boden aus, doch konnte er lange keine Ruhe finden. Mitternacht mochte schon vergangen sein, als er langsam in den Schlaf sank – nur um sogleich gewaltsam geweckt zu werden. Donnernde Schläge gegen das Kirchenportal, das Geräusch splitternder Balken, trampelnder Stiefel, Schreie und flackerndes Fackellicht erfüllten den Raum. Soldaten in Kettenpanzern rissen den Papst von seinem Lager, der Exarch trat vor und überreichte Martin das kaiserliche Dekret.
»Hiermit erkläre ich dich zum Gefangenen! Du bist angeklagt, vor drei Jahren den hochverräterischen Aufstand meines Vorgängers, des Exarchen Olympios unterstützt zu haben. Außerdem hast du dir ohne kaiserliche Bestätigung die Nachfolge Petri angemaßt!«
»Verflucht seist du, Gottloser!«, schrien die anwesenden Priester. Einige stürzten sich auf die Bewaffneten, wurden jedoch rasch überwältigt und in Ketten gelegt. Wie zum Hohn begannen zwei Soldaten, mit ihren Schwertern die Kerzen von den Altären zu schlagen. Andere führten unterdessen die Gefangenen ab, unter denen sich auch Patricius befand. Draußen mussten sie sich ihren Weg durch eine unübersehbare Menschenmenge bahnen, die Schmähungen gegen den Kaiser brüllte, Steine warf und versuchte, den Papst
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