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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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sein.«
    »D… dann sind wir ge… gerettet?«, fragte Daud hoffnungsvoll.
    »Noch nicht.« Der Schwarze runzelte die Stirn und lauschte erneut, schließlich wandte er sich ihm wieder zu. »Wir müssen sie hinhalten! Nur einige Stunden noch.« Er beugte sich zu dem Jungen herab und sah ihn durchdringend an. »Lauf und rufe A'ischa. Sie war zwar auch gegen die Wahl Uthmans zum Kalifen, aber jetzt muss sie unbedingt kommen und zu den Aufrührern sprechen.«
    »Aber wie k… kann ich …?«
    »Kletter auf das Dach. Spring von dort auf ein Nachbarhaus. Es ist nicht weit!«
    Daud nickte stumm, beide rannten zur rückwärtigen Hofseite, wo eine Leiter an der Hauswand lehnte. Zwei Männer, die auf dem Dach Wache gehalten hatten, kamen gerade eilig herabgeklettert. Sie beachteten sie nicht weiter, sondern liefen zum Tor, von wo jetzt die Schreie immer aufgebrachter erklangen. Die Menge draußen schien wütender zu werden, die Drohungen lauter, die Schläge heftiger. Innen standen alle Männer des Hauses in gespannter Haltung; Schwerter, Dolche oder Knüppel in der Hand.
    »Los, beeil dich!« Der Schwarze gab Daud einen Schubs in Richtung Leiter. Der Junge kletterte die Sprossen empor und zog sich gewandt auf das flache Dach. Wie eine Eidechse bewegte er sich über die heiße Lehmfläche, unsichtbar von der Straße oder den Nachbarhäusern aus. Er kroch schnell, jedoch vorsichtig, um sich nicht an einer der scharfen Palmblattrippen zu schneiden, die wie Messerklingen aus dem Lehm ragten. Als er den leicht erhöhten Rand des Hauses erreicht hatte, hob er behutsam den Kopf, schob sich vor und spähte hinunter. Die Gasse wirkte verlassen, nur einige Schritte nach links, im Schatten einer Mauer, stand ein Esel angebunden, der mit zuckenden Ohrbewegungen und wedelndem Schweif die Fliegen zu verscheuchen suchte. Daud sah abschätzend zu dem fensterlosen Haus gegenüber und wieder hinab. Etwa ein Dutzend Fuß unter ihm erstreckte sich der staubige Weg, etwa halb so weit war es zum Flachdach des nächsten Hauses. Niemand war zu sehen. Langsam erhob er sich und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Die niedrigen, braunen Häuser lagen in der unbarmherzigen Hitze wie zum Trocknen ausgebreitete Lehmziegel, umgeben vom grünen Kranz der gezackten Palmwipfel. Dahinter, etwa eine Wegstunde entfernt, erhoben sich die dunklen Felshügel, in denen Daud noch vor zwei Jahren seine Ziegen gehütet hatte. Weiter war er in seinem Leben nicht gekommen, und nichts deutete darauf hin, dass er bald Medina an-Nabi verlassen würde, die Stadt des Propheten, wie die Oase Yathrib seit Mohammeds Ankunft vor über drei Jahrzehnten von den Gläubigen genannt wurde.
    Als er hörte, wie sich von rechts in der Gasse leise Stimmen näherten, streckte er seinen Körper, nahm kurz Anlauf und sprang. Früher, als er noch tagtäglich seinen Ziegen hinterhergeklettert war, hätte er es mühelos geschafft. Doch der Dienst im Haushalt des Kalifen hatte seine Muskeln erschlaffen lassen und der Durst seinen Körper zusätzlich geschwächt. So erreichte er zwar das gegenüberliegende Dach, doch der Schwung trug ihn nicht weit genug, seine Füße fanden keinen festen Halt. Einen unendlich lang scheinenden Augenblick schwankte er auf der bröckelnden Mauerkante … eine kleine, magere Gestalt in einem flatternden braunen Burnus, die verzweifelt versuchte, mit rudernden Armen das Gleichgewicht zu halten. Dann kippte er nach hinten und stürzte in die Gasse. Als er am Boden aufschlug, durchfuhr ein stechender Schmerz seinen linken Knöchel, bevor sein Kopf so heftig aufprallte, dass er fast das Bewusstsein verlor. Doch er durfte hier nicht liegen bleiben, jederzeit konnten die Männer um die Ecke biegen. Er biss die Zähne zusammen und kroch auf allen Vieren durch den mit Lehm und Strohresten vermischten Sand, bis er endlich den Esel erreichte, neben dem er sich ausstreckte und die Augen schloss.
    Einige Herzschläge später hörte er eilige Schritte Halt machen. Eine Männerstimme fragte in fremd klingendem Arabisch: »Was machst du hier?«
    Daud blieb reglos und stellte sich schlafend, bis ihn ein Fußtritt zusammenzucken ließ. Er öffnete die Augen und sah ängstlich zu den Männern empor. Vor ihm standen drei Unbekannte, Säbel in der Hand, gekleidet in lange Gallabien, die ihn misstrauisch anstarrten.
    »Wer bist du?«, fuhr ihn einer barsch an. Der Aussprache nach schien er nicht aus Medina zu stammen, sondern mochte zu den Glaubenskämpfern gehören, die

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