Sie kamen bis Konstantinopel
und sein Gefolge zu befreien.
»Pellurios, bring sie zum Palatin!« Theodorus' Stimme verriet seine Erregung. »Ich werde versuchen, den Pöbel zu beruhigen.«
Die nächste Stunde wurden der Papst, die gefangenen Priester sowie Patricius in einer düsteren Prozession durch das nächtliche Rom getrieben, begleitet von Verhöhnungen der Soldaten. Zuletzt ging es den Palatinshügel empor, durch endlose, nach Schimmel riechende Gänge des Kaiserpalastes, bis sich die Türe eines Gewölbes hinter ihnen schloss.
Am Abend des Folgetages betrat Pellurios den Kerker, begleitet von fackeltragenden Soldaten.
»Martin, da du dir das Amt des Papstes angemaßt hast und des Hochverrates beschuldigt wirst, soll dir im Angesicht des Kaisers der Prozess gemacht werden. Du hast das Recht, dir sechs Begleiter auszuwählen!«
»Wir wollen alle mitkommen!«, schrien die Anwesenden wild durcheinander, »alle!«
»Nein«, fuhr sie der Sekretär des Exarchen an. »Sechs müssen reichen!«
Bedächtig stand Martin auf, sah sich um und ging auf einen der Gefangenen zu. »Willst du mich begleiten?«, fragte er leise, und als der Mann bejahte, wählte er den nächsten aus, bis zuletzt sein Blick auf Patricius fiel. »Du auch, Peregrinus?«, fragte er, worauf Patricius stumm nickte.
Noch in der gleichen Nacht wurden die Sieben abgeführt. Begleitet vom Marschtritt der Soldaten, stolperten sie in ihren Ketten durch die Straßen, ließen die hoch in den Nachthimmel ragenden Türme eines Stadttores hinter sich, hörten das Quietschen, als die Flügel geschlossen wurden, gefolgt vom Schaben des großen Riegels. Bald darauf vernahmen sie das Rauschen des Tibers. Von Fackeln erhellt, lag ein flaches Flussschiff am Ufer. Pellurios ließ die Taue lösen, die den Kahn am Ufer festhielten, und alle Lichter löschen.
»Nach Portus!«, hörte Patricius, der auf dem Deck kauerte, den Sekretär rufen. »Zum Schiff nach Konstantinopel!«
Teil 2: Daud
Kapitel 4
Sturm in der Wüste
(656 n. Chr.)
»Es ist richtig, was ihr über die früheren Gewohnheiten der Araber sagt. Sie ernährten sich von grünen Eidechsen und begruben ihre neugeborenen Töchter bei lebendigem Leibe. Aber Gott in seiner Gnade hat uns den heiligen Propheten gesandt und ein heiliges Buch gegeben, das uns den wahren Glauben lehrt. Und nun haben uns die Araber geschickt, um Euch zu fragen, ob ihr unseren Glauben annehmen oder mit uns kämpfen wollt.«
Arabische Gesandte zum persischen Schah Yezdegerd
»Sie werden es nicht wagen …«
Gegen das Stimmengewirr, das von draußen hereinbrandete, war der leise gesprochene Satz kaum zu vernehmen. Trotzdem zuckte der etwa sechzehnjährige, ärmlich gekleidete Junge zusammen, der in einer Ecke des Raumes auf dem Lehmboden hockte. Verunsichert blickte er zu dem Tisch hinüber.
»B… b… braucht Ihr etwas?«
Keine Antwort, nur eine zittrige Linke, die ein weiteres Pergamentblatt umschlug, während die Lippen unter dem weißen Bart unhörbare Worte formten.
»Es ist n… n… noch ein Rest Wa… Wasser da …«
Jetzt sah der alte Mann in dem weißen Burnus auf und blickte den Jungen freundlich an.
»Danke, Daud. Ich habe gestern getrunken.« Die eingesunkenen Augen musterten den Jungen nachdenklich, während die Stimmen auf der Straße immer lauter wurden. Immer schriller klangen sie, wie Dolche durchstießen einzelne Schreie den Lärm, doch durch die dicken Wände war nichts Genaues zu verstehen. Der Mann wandte den Kopf mit dem schmucklosen, grünen Turban und starrte einen Augenblick auf die Türe, die zum Hofe führte, als blicke er in weite Ferne, bevor er wiederholte:
»Sie werden es nicht wagen …«
Dabei senkte er seinen Blick erneut auf das Buch und begann laut zu lesen:
»Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn der Menschen,
dem Gott der Menschen,
vor dem Übel des Einflüsterers, des Entweichers,
der da einflüstert in die Brust des Menschen –
vor den Dschinn und den Menschen …«
Die Schlussworte des Korans waren kaum verklungen, als plötzlich ein dumpfer Laut vom Hof her dröhnte, als schlüge ein riesiger Hammer gegen eine Holzplatte.
Der Junge sprang bestürzt auf. »Soll ich nicht be… be… besser nachsehen?«
Der alte Mann, der ebenfalls aufgeschreckt war, nickte zustimmend. »Geh nachsehen. Und wenn sie das gleiche fordern wie gestern und vorgestern, so lautet meine Antwort wie gestern und vorgestern: Ich werde das Gewand, das mir Allah auf die Schultern gelegt hat, nicht ablegen. Das lass ihnen
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