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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass ein Holzteller zu Boden sprang. »Wie kommst du dazu?«
    Verschreckt knetete Urso die Hände. »Du warst tagelang weg, die beiden hatten es schrecklich eilig. Und da der Apostel Paulus selbst sagt, heiraten sei besser als Brunft leiden …«
    Unwillkürlich musste Patricius lächeln und wies seinen jungen Freund milde zurecht. »Aber du hast nicht das Recht, sie nach Gottes Gesetz miteinander zu verbinden. Daher weiß ich nicht, ob sie jetzt aus Jesu Sicht in Unzucht miteinander leben.«
    »Dann traue sie zur Sicherheit einfach nochmals!«
    »Ach Urso, das ist nicht so einfach. Wären sie nämlich doch verheiratet, so würden sie zum zweiten Male heiraten, also Bigamie begehen. Eine genauso schwere Sünde – du verstehst?«
    »Hmmm …« Verwirrt strich sich Urso durch seine schwarzen Locken. »Selbst wenn sie die zweite Ehe mit dem gleichen Menschen eingehen, mit dem sie schon zusammen sind?«
    »Vielleicht wäre es eine Sünde, vielleicht auch nicht.« Patricius zuckte mit den Schultern. »Ich werde jetzt lieber nichts tun und die Frage dem Heiligen Vater vorlegen, sobald ich nach Rom komme.«
    Urso merkte auf. »Nach Rom? Wann willst du reisen?«
    »In einigen Monden, wenn die Pässe offen sind.«
    »Aber doch nicht alleine, die Berge sind gefährlich. Da gibt es Bären, Wölfe, Steinschläge, Wetterstürze, Räuber – ich kenne mich aus, ich bin da aufgewachsen!«
    »Wieso? Kommst du nicht von hier?«
    »Nein, mein Vater war Fischer an einem großen See im Hochgebirge, der nach uns Walchen benannt wurde. Sein Boot kenterte in einem Sturm, und er ertrank. Da zog meine Mutter hierher, zu ihrem Bruder; vor drei Jahren ist sie gestorben.«
    »Du willst mir als Führer dienen?« Patricius sah Urso zweifelnd an. »Wie alt warst du denn, als ihr von dort weggegangen seid?«
    »Nun«, Urso senkte den Blick, »noch jung. So fünf oder eher vier Jahre …«
    »Na, mit der Erfahrung wärst du sicher eine große Hilfe!«
    »Besser als nichts! Außerdem soll man gefährliche Reisen nie alleine unternehmen.«
    »Das ist wahr«, entgegnete Patricius, versöhnlicher gestimmt. »Also komm mit, wenn du hier wegkannst.«
    »Juchuh!« Urso tanzte jubelnd durch den Raum. »Rom sehen, die Paläste, die Kirchen, die Heiligenbilder, all die Pracht, von der du mir erzählt hast – und von Valei wegkommen«, fügte er verschmitzt hinzu. »Ohne dich wäre es öde hier!«
    Einen Mond später war es warm genug, die Reise zu wagen. Urso hatte seine fertigen Fässer und Schüsseln gegen Würste, Käse und Wanderschuhe eingetauscht und das Werkzeug bei seinem Onkel eingelagert. Patricius ging nochmals durch den Ort, verabschiedete sich von den Dorfbewohnern und ermahnte diejenigen, die er bekehrt hatte, ein christliches Leben zu führen. Da hörte er hinter einer Scheune ein kleines Kind weinen. Unwillkürlich trat er leise näher, um zu horchen. »Und hiermit taufe ich dich. In Nomine Patria et Filia!«, hörte er Ursos helle Stimme, gefolgt von einem Aufheulen. Als der Mönch um die Ecke stürzte, sah er Urso, wie dieser einen nackten Säugling aus einem mit Wasser gefüllten Bottich hob.
    »Was treibst du da?«, schrie er. »Hast du schon wieder …«
    Urso fuhr auf und zitterte derart, dass er beinahe das tropfende Kind fallen ließ. »Das ist der jüngste Sohn meiner Tante. Ich wollte ihn noch schnell taufen, bevor wir …«
    »Im Namen des Vaterlandes und der Tochter! Falls dein verdorbenes Latein überhaupt einen Sinn ergibt, du gotteslästerlicher Esel!«
    »Aber es ist doch noch ganz winzig«, entgegnete Urso beschwichtigend und wickelte das weinende Kind in ein Tuch, »und versteht sowieso kein Latein!«
    »Ja, ist denn der böse Geist in dich gefahren?« Patricius zitterte vor Erregung. »Was maßt du dir an? Gott versteht sehr wohl, was für einen Schindluder du hier mit seinem Sakrament treibst.«
    »Ich wollte einfach auch mal taufen, so wie du!«
    »Aber dazu hast du kein Recht! Geht das in deinen belockten Walchenschädel? Weißt du was?« Patricius keuchte. »Ich breche sofort auf – und du bleibst hier! Sonst tunkst du mir noch den Heiligen Vater in den Tiber!«
    »Nein, das kannst du mir nicht antun!«
    »Und ob ich das kann!« Patricius marschierte mit langen Schritten zu Ursos Haus, stieß die Türe auf und begann, seine wenigen Habseligkeiten in seinen Wandersack zu stopfen. Urso, der ihm nachgelaufen war, stand in der Tür und versperrte ihm den Ausgang, das

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