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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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aus dem fernen Kufa gekommen waren.
    Der Junge hob mit verwirrtem Gesicht die Rechte, wies auf den Esel, danach mit der Geste des Besitzes auf sich. Anschließend zeigte er mit weit aufgerissenen Augen und unter abwehrendem Kopfschütteln abwechselnd auf Mund und Ohren – eine Geste, die er einem taubstummen Bettler in der Nachbarschaft abgeschaut hatte. Der sonnenverbrannte Fremde zuckte mit den Schultern, schien das Interesse an dem staubigen Kleiderbündel neben dem Esel verloren zu haben und wandte sich den anderen zu. Während sie weitergingen, unterhielten sie sich mit gedämpften Stimmen, deuteten auf das Haus, in dem der Kalif gefangen saß, von da auf das Nachbardach.
    Daud konnte nur Wortfetzen verstehen. »Leiter … solange abgelenkt … Dutzend müsste reichen …« Doch das genügte, um sein Herz stocken zu lassen. Er zwang sich, trotz des pochenden Schmerzes im Fuß und der Angst vor dem, was diese Männer vorhatten, seinem Gesicht einen Ausdruck unbeteiligter Stumpfheit zu verleihen, bis die Fremden um die nächste Ecke gebogen waren.
    Dann richtete er sich stöhnend auf, klopfte achtlos den Staub von seinem Burnus und begann, so schnell er konnte, in die andere Richtung zu hinken. A'ischa lebte nicht weit entfernt, nur wenige Hundert Schritte waren es bis zum Haus der einstigen Lieblingsfrau des Propheten. Doch dieses kleine Wegstück, das er sonst rasch durchlaufen hätte, wurde ihm jetzt zur Qual. Er konnte den verstauchten Fuß nur kurz belasten, um den stechenden Schmerz nicht unerträglich werden zu lassen, so dass er sich mühsam an den Hauswänden entlangtasten musste.
    Jede Wegkreuzung wurde zu einem Wagnis – wenn er sich schwankend über die freie Fläche schleppte, stets auf der Hut vor Eselstreibern, Wasserträgern oder Dattelpflückern, die gebeugt unter der Last ihrer Säcke von der Ernte zurückkehrten und ihn zu Fall bringen konnten. Schweißnass und schon fast am Ende seiner Kräfte, sah er das Haus und atmete auf, als er vor dem geschnitzten, verschlossenen Portal stand, auf dem zwei bronzene Türklopfer in der Sonne glänzten. Er griff nach dem größeren, für Männer bestimmten, der es den Frauen im Haus ermöglichte, sich zurückziehen, und ließ ihn auf das Holz niederfallen. Nichts geschah, so dass er den Schlag wiederholte, diesmal so kräftig, dass es im Haus widerhallte.
    Schritte näherten sich, eine Luke schwang auf und ein schnauzbärtiges Gesicht spähte heraus.
    »Was willst du, was soll der Lärm?«, fuhr der Mann ihn an.
    »Ich m… muss A'ischa sprechen. Sofort!«, erwiderte Daud, der schwer atmete und sich mit einem Arm an der Hauswand abstützen musste.
    »Die Witwe des Propheten, Allahs Segen und Heil auf ihm, ist für Bettler nicht zu sprechen«, wies der Mann ihn ab, um etwas freundlicher hinzuzufügen, »aber warte einen Augenblick, ich lasse dir ein Stück Brot und einen Schluck Wasser holen.«
    »Ich b… bin kein Bettler!« Daud hämmerte mit der Faust gegen die Holzbohlen. »Mach auf, ich komme von Uthman.«
    Die Augenbrauen in dem im Halbschatten verborgenen Gesicht zogen sich zusammen.
    »Und der Kalif hat keinen würdigeren Boten gefunden als einen schmutzigen Jungen?«
    »Er ist in seinem Haus einge… geschlossen. A'ischa muss sss … sofort kommen.«
    »Ach ja, davon habe ich gehört.« Täuschte sich Daud, oder schwang ein spöttischer Unterton in der Stimme? »Das wird leider nicht möglich sein.«
    »Warum, es ist nicht w… weit? Ich bit…te Euch!!«, stöhnte Daud auf.
    »Weil die Mutter der Gläubigen gestern zu ihrer jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka aufgebrochen ist.«
    »Zur Hadsch? So früh? Es ist do… doch noch gar nicht der h… heilige Monat …«
    »Gewiss. Aber die Witwe des Propheten, Allahs Segen und Heil auf ihm, fühlte den Wunsch übermächtig werden. Sie wollte schon jetzt ihre Gebete an der Kaaba sprechen und Freunde in Mekka besuchen. Aber sie wird in vier Wochen zurück sein. Wenn ich etwas ausrichten kann …?«
    »Nein.« Daud ließ entmutigt den Kopf sinken. »Dann ist es z… zu spät …«
    ***
    Er nahm kaum wahr, dass sich die Luke mit leisem Klacken schloss, denn seine Gedanken eilten schon weiter. Er würde zu Ali müssen. Der hatte schon einmal die aufgebrachte Menge beruhigt. Er würde kommen. Er musste kommen!
    Der Junge blickte sich unruhig um. Ali, der Schwiegersohn des Propheten, war seine letzte Hoffnung. Aber er wohnte ein Stück entfernt. Wenn er doch nur den Esel losgebunden hätte, um auf ihm

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